11 - Die Helden des Westens
fort.
Freilich, ganz unbemerkt entkamen sie nicht. Obgleich an die Nähe eines Feindes nicht gedacht werden konnte, waren doch einige Wachen, die sich von Zeit zu Zeit abzulösen hatten, ausgestellt worden. Für die Nacht war dies schon wegen der wilden Tiere im Wald notwendig. An einem dieser Wachtposten kamen sie vorüber.
Es war ein Schoschone. Er hörte sie kommen, wußte natürlich, daß die vom Lager her Nahenden Freunde sein mußten, und machte daher keinen Lärm. Der Schein des Mondes, welcher sich zwischen einzelnen Zweigen hindurch herniederstahl, erlaubte ihm, die Pferde zu sehen. Daß sich Männer mit ihren Tieren entfernen wollten, das erregte seine Verwunderung.
„Was haben meine Brüder vor?“ fragte er.
„Schau mich an! Erkennst du mich?“ antwortete Jemmy, nahe an ihn herantretend, so daß seine Gestalt deutlich zu bemerken war.
„Ja. Du bist Jemmy-petahtscheh.“
„Sprich leise, damit keiner der Schläfer geweckt werde. Old Shatterhand sendet uns aus. Er weiß, wohin wir gehen. Ist dir das genug?“
„Meine weißen Brüder sind unsere Freunde. Ich darf sie nicht hindern, die Befehle des großen Kriegers auszuführen.“
Sie gingen weiter. Als sie so entfernt vom Lager waren, daß kein Huftritt dort mehr gehört werden konnte, stiegen sie auf, suchten die lichtere Nähe des Seeufers und trabten längs desselben hin, um den Ausfluß des Yellowstone-River zu erreichen und demselben in nördlicher Richtung zu folgen.
Der Schoschone hielt den Vorfall für so einfach und selbstverständlich, daß er sich gar nicht die Mühe gab, später dem ihn ablösenden Posten eine Mitteilung darüber zu machen. So blieb die Entfernung der fünf kühnen oder vielmehr leichtsinnigen Deserteure unbemerkt, bis der Tag graute.
Um diese frühe Zeit sollte aufgebrochen werden. Daher erhoben sich, als die ersten Vogelstimmen in den Zweigen ertönten, alle von ihren Lagerorten. Da bemerkte Old Shatterhand zunächst, daß Martin Baumann fehlte. Da ihm sofort die gestrige Befürchtung zurückkehrte, forschte er nach Jemmy, und bald stellte es sich heraus, daß nicht nur dieser auch fehlte, sondern ebenso Davy, Frank und Wohkadeh nicht mehr vorhanden waren. Wie man sich dann sogleich überzeugte, hatten sie zu Pferde das Lager verlassen.
Nun erst jetzt meldete sich der Schoschone, welcher gestern abend die Wache gehabt hatte, und erzählte Old Shatterhand, welche Erklärung ihm von Jemmy gemacht worden war.
Winnetou stand dabei und konnte sich trotz seines sonstigen Scharfsinns die Absicht, in welcher die fünf sich so heimlich entfernt hatten, nicht denken.
„Sie sind den Sioux-Ogellallah entgegen“, erklärte ihm Old Shatterhand.
„So haben sie ihr Hirn verloren“, zürnte der Apache. „Sie werden nicht nur der Gefahr, welcher sie entgegenreiten, nicht entgehen, sondern auch unsere Anwesenheit verraten. Warum aber wollen sie den Sioux begegnen?“
„Um zu erfahren, ob der Bärentöter noch lebe.“
„Ist er tot, so vermögen sie doch nicht, ihm das Leben zurückzugeben, und lebt er noch, so werden sie ihm Unglück bringen. Winnetou kann diesen großen Fehler den zwei kühnen Knaben verzeihen; die beiden alten, weißen Jäger aber sollten am Pfahl aufgestellt werden, den Squaws und Kindern zum Spott!“
Da kam Bob, der Neger, herbei. Der Skunkgeruch war noch nicht ganz von ihm gewichen, so daß keiner der Leute ihn gern in seiner Nähe duldete. Er trug immer noch nur die alte Pferdedecke, welche der lange Davy ihm geschenkt hatte. Des Nachts, wenn es kühl wurde, hatte er sich bisher in das Fell des von Martin Baumann erlegten Bären gewickelt.
„Massa Shatterhand suchen Massa Martin?“ fragte er.
„Ja. Kannst du mir Auskunft erteilen?“
„Oh, Masser Bob sein ein sehr kluger Masser Bob. Er wissen, wo Massa Martin sein.“
„Nun wo?“
„Sein fort, zu Sioux-Ogellallah, zu sehen gefangenen Massa Baumann. Massa Martin haben Masser Bob alles sagen, damit Masser Bob dann Massa Shatterhand wiedersagen.“
„Also doch ganz so, wie ich dachte!“ sagte Old Shatterhand. „Wann wollen sie zurückkommen?“
„Wann sie haben sehen Massa Baumann, dann kommen uns nach an Fireholefluß.“
„Hast du sonst noch einen Auftrag?“
„Nein. Masser Bob weiter nichts wissen.“
„Dein guter Massa Martin hat da eine Dummheit gemacht; ich glaube, es kann ihm dabei an den Kragen gehen.“
„Was? Massa Martin an den Kragen? Da Masser Bob sich setzen sofort auf Pferd, um ihm nachreiten und
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