11 - Die Helden des Westens
mineralischen Kenntnissen nischt profitieren wollen, so brauchen Sie mir jetzt Ihre zweifelhafte Weisheet ooch nich auszukramen! Sind Sie denn vielleicht schon mal off dem Sankt Bernhardt gewest?“
„Nein.“
„So schweigen Sie also ganz schtille! Nur wer da droben wohnt, kann drüber reden. Aber sehen Sie doch mal genauer nach dem Hause hin! Schteht da nich een Mensch grad vor dem Tore?“
„Allerdings. Wenigstens scheint es so. Aber jetzt ist er weg. Es wird wohl nur ein Schatten gewesen sein.“
„So? Da blamieren Sie sich wieder mal mit Ihren optischen Erfahrungen. Wo es eenen menschlichen Schatten gibt, da muß es unbedingt ooch eenen Menschen geben, der diesen Schatten geworfen hat. Das is die bekannte Lehre von Pythagorassen seiner Hypotenuse off den zwee Kathedern. Und wenn der Schatten weg is, so muß entweder die Sonne verschwunden sein oder derjenige, der den Schatten geworfen hat. Die Sonne is aber noch da, folglich is der Kerl fort. Wohin, das werden wir bald merken.“
Sie näherten sich dem Bauwerk schnell, und da erkannten sie freilich, daß es nicht von Menschenhänden errichtet, sondern ein Werk der Natur war. Die scheinbaren Mauern bestanden aus blendend weißem Feldspat. Mehrere Öffnungen konnten von weitem leicht für Fenster gehalten werden. Eine weite, hohe Türöffnung war auch vorhanden. Wenn man durch dieselbe blickte, so sah man eine Art weiten Hofes, welcher durch natürliche Felsenkulissen in mehrere verschieden große Abteilungen geschieden wurde. In der Mitte dieses Hofes sprudelte ein Quell aus der Erde hervor und schickte sein klares, kaltes Wasser gerade zum Tor heraus.
„Wunderbar!“ gestand Jemmy. „Dieser Ort eignet sich prächtig zu einer Mittagsrast. Wollen wir hinein?“
„Meinswegen“, antwortete Frank. „Aber wir wissen noch gar nich, ob der Kerl, der da drin wohnt, vielleicht een schlechter Mensch is.“
„Pshaw! Wir haben uns getäuscht; von einem Menschen ist hier gar keine Rede. Zum Überflusse will ich auch vorher einmal rekognoszieren.“
Er ritt, die Büchse schußfertig haltend, langsam durch das Tor und blickte sich im Hofe um. Dann drehte er sich um und winkte.
„Kommt herein! Es ist keine Seele hier.“
„Das will ich ooch hoffen“, meinte Frank. „Mit abgeschiedenen Seelen, die een geisterhaftes Dasein off der Erde fristen, habe ich keeneswegs gern was zu tun.“
Davy, Martin und Frank folgten Jemmys Aufforderung. Wohkadeh aber blieb noch vorsichtig halten.
„Warum kommt mein roter Bruder nicht?“ fragte der Sohn des Bärentöters.
Der Indianer zog die Luft bedächtig durch die Nase und antwortete:
„Bemerken meine Brüder nicht, daß es hier sehr nach Pferden riecht?“
„Natürlich muß es nach ihnen riechen. Wir haben ja die unseligen mit.“
„Dieser Geruch kam bereits aus der Tür, als wir noch vor ihr hielten.“
„Es ist hier weder ein Mensch noch ein Tier zu sehen, auch keine Spur von beiden.“
„Weil der Boden aus hartem Stein besteht. Meine Brüder mögen vorsichtig sein.“
„Es gibt hier keinen Grund zu irgendeiner Befürchtung“, erklärte Jemmy. „Kommt, wir wollen uns erst auch noch weiter hinten umsehen.“
Anstatt ihn das allein tun zu lassen und sich dadurch den Rückzug offenzuhalten, folgten sie ihm, eng nebeneinander reitend, nach den hintersten Felsenabteilungen.
Da erscholl plötzlich ein Geheul, daß es schien, als ob die Erde bebe. Eine ganz bedeutende Anzahl von Indianern brach aus dem Hintergrunde hervor, und im Nu waren die vier unvorsichtigen Männer umzingelt.
Die Roten waren nicht zu Pferde, aber außerordentlich gut bewaffnet. Ein langer, hagerer, aber sehniger Kerl, durch den Kopfputz als Häuptling gekennzeichnet, rief den Weißen in gebrochenem Englisch zu:
„Ergebt euch, sonst nehmen wir euch die Skalpe!“
Es waren ganz gewiß wenigstens fünfzig Indianer. Die vier Überraschten sahen ein, daß jede Gegenwehr nur verderblich sein könne.
„Alle Teufel!“ stieß Jemmy in deutscher Sprache hervor. „Da sind wir ihnen gerade in die Hände geritten. Es sind Sioux, jedenfalls diejenigen, welche wir belauschen wollten. Aber noch gebe ich nichts verloren. Vielleicht ist durch List etwas zu erreichen.“
Und zu dem Häuptling gewendet, fuhr er in englischer Sprache fort:
„Ergeben sollen wir uns? Wir haben euch ja nichts getan. Wir sind Freunde der roten Männer.“
„Das Kriegsbeil der Sioux-Ogellallah ist gegen die Bleichgesichter gerichtet“, antwortete der Lange.
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