11 - Die Helden des Westens
die beiden Braunen so frisch, wie aus der Fenz heraus? Warum haben sie frisch geschwärzte Hufe, während eure anderen Gäule abgetrieben sind und in den verwahrlosesten Pantoffeln laufen. Ich sage euch, daß die Braunen noch gestern einen anderen Herrn gehabt haben und daß der Diebstahl von Pferden hier im fernen Westen mit dem schönen Tode durch den Strang bestraft wird.“
„Lügner! Verleumder!“ brüllte Walker, sich nach seinem Gewehr bückend.
„Nein, er hat recht!“ ertönte eine Stimme zwischen den Büschen hervor. „Ihr seid elende Pferdediebe und sollt euren Lohn haben. Schießen wir sie nieder, Martin!“
„Nicht schießen!“ rief der lange Davy. „Nehmt die Kolben! Eine Kugel sind sie nicht wert.“
Er holte mit dem umgekehrten Gewehr aus und versetzte Walker einen Hieb, daß er besinnungslos zu Boden stürzte. Aus den Büschen sprangen zwei Gestalten, ein kräftiger Knabe und ein älterer Mann, mit hoch erhobenen Gewehren hervor und warfen sich auf die angeblichen Prospektors.
Jemmy hatte sich niedergebückt und mit zwei schnellen Schnitten die Fesseln Wohkadehs gelöst. Dieser schnellte empor, sprang auf einen der Feinde zu, ergriff ihn beim Genick, riß ihn nieder und schleuderte ihn über das Wasser hinüber, wo sein Skalpmesser lag. Kein Mensch hätte ihm eine solche Körperstärke zugetraut. Ihm nachspringen, das Messer mit der Rechten ergreifen, auf den Feind knien und dessen Haarschopf mit der Linken erfassen, das war das Werk eines Augenblickes.
„Help – help – for God's sake – help!“ kreischte der Mann in höchster Todesangst auf.
Wohkadeh hatte das Messer zum tödlichen Stoß erhoben. Sein blitzendes Auge fiel auf das vor Entsetzen verzerrte Gesicht des Feindes – und seine Hand sank mit dem Messer nieder.
„Hast du Angst?“ fragte er.
„Ja, o Gnade, Gnade!“
„Sag, daß du ein Hund bist!“
„Gern, sehr gern! Ich bin ein Hund!“
„So bleib zu deiner Schande leben; ein Indianer stirbt mutig und ohne Klage, du aber wimmerst um Barmherzigkeit. Wohkadeh kann den Skalp eines Hundes nicht tragen. Du hast mich geschlagen, dafür gehörte deine Kopfhaut mir; aber ein räudiger Hund kann keinen roten Mann beleidigen. Lauf fort; es ekelt Wohkadeh vor dir!“
Er gab ihm einen Tritt mit dem Fuß. Im nächsten Augenblick war der Mann verschwunden.
Das alles war viel, viel schneller geschehen, als man es zu erzählen vermag. Walker lag am Boden, ein anderer neben ihm; die übrigen hatten sich schleunigst aus dem Staub gemacht. Ihre Pferde waren ihnen nachgelaufen; die beiden Braunen standen noch da und rieben ihre Köpfe an den Schultern der beiden Helfer, welche sich so unerwartet eingestellt hatten.
Der Knabe mochte ungefähr das sechzehnte Jahr zurückgelegt haben, doch war sein Körper über dies Alter hinaus entwickelt. Heller Teint, blondes Haar und blaugraue Augen wiesen auf germanische Abstammung hin. Er war barhäuptig und ganz in blaues Leinen gekleidet. In seinem Gürtel steckte ein Messer, dessen Griff von seltener indianischer Arbeit war, und das Doppelgewehr, welches er in der Hand hielt, schien für ihn fast zu schwer zu sein. Seine Wangen hatten sich im Kampf hoch gerötet, aber er stand doch so ruhig da, als ob es etwas für ihn ganz Gewöhnliches gegeben hätte. Wer ihn jetzt betrachtete, war jedenfalls geneigt, anzunehmen, daß solche Szenen, wie die eben vergangene, für ihn nichts Seltenes seien.
Einen eigentümlichen Anblick bot sein Begleiter. Dieser war ein kleiner, schmächtiger Mann, dessen Gesicht von einem dichten, schwarzen Vollbart umrahmt war. Er trug indianische Schuhe und Lederhosen und dazu einen dunkelblauen Frack, welcher mit hohen Achselbuffen, Batten und blank geputzten Messingknöpfen versehen war. Dieses letztere Kleidungsstück stammte wohl aus dem ersten Viertel des gegenwärtigen Jahrhunderts. Damals wurde ja ein Tuch fabriziert, welches für eine Ewigkeit gemacht zu sein schien. Freilich war der Frack außerordentlich verschossen und an den Nähten fleißig mit Tinte aufgefärbt, aber es war noch kein einziges Löchlein darin zu bemerken. Solchen alten Kleidungsstücken begegnet man im ‚far West‘ sehr oft. Dort geniert es keinen, ein altmodisches Habit zu tragen, denn bei den dortigen Verhältnissen gilt der Mann mehr als das Kleid.
Auf dem Kopf trug der kleine Mann einen riesigen schwarzen Amazonenhut, den eine große, gelb gefärbte, unechte Straußenfeder schmückte. Dieses Prachtstück hatte jedenfalls vor
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