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11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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besondre allgemeene Bildung angeeignet und ooch zum erschtenmale erfahren, wo Amerika liegt. In der deutschen Schprache waren wir eenander sehr überlegen, und darum weeß ich ganz genau, daß in Sachsen ohne alle Umschtände der allerschönste Syntax geschprochen wird. Oder zweifeln Sie etwa daran? Sie machen mir so een verbohrtes Gesicht!“
    „Ich mag nicht darüber streiten, obgleich ich früher Gymnasiast gewesen bin.“
    „Wie? Ist's wahr? Off dem Gymnasium haben Sie schtudiert?“
    „Ja, ich hab' auch Mensa dekliniert.“
    Der Kleine warf ihm von der Seite einen pfiffigen Blick zu und sagte:
    „Mensa dekliniert? Da haben Sie sich wohl verschprochen?“
    „Nein.“
    „Na, dann ist's mit Ihrem Gymnasium ooch nich sehr weit her. Es heeßt nich dekliniert, sondern deklamiert, und ooch nich Mensa, sondern Pensa. Sie haben Ihre Pensa deklamiert, vielleicht des Sängers Fluch von Hufeland oder den Freischütz von Frau Maria Leineweber. Aberst deshalb keene Feindschaft nich. Es hat eben jeder so viel gelernt, wie er kann, mehr nich, und wenn ich eenen Deutschen sehe, so freue ich mich darüber, ooch wenn er nich grad een gescheiter Kerl is oder gar een Sachse. Also, wie schteht’s? Wolln wir gute Freunde sein?“
    „Das versteht sich ganz von selbst!“ lachte der Dicke. „Ich hab' immer gehört, daß die Sachsen die gemütlichsten Kerle sind.“
    „Das sind wir, ja! Dadran beißt keene Maus keenen Faden. Das is angeborene Intelligenz.“
    „Warum aber haben Sie Ihre schöne Heimat verlassen?“
    „Eben wegen der Kunst und Wissenschaft.“
    „Wieso?“
    „Das kam ganz plötzlich und folgendermaßen: Wir schprachen von der Politik und Weltgeschichte, abends in der Restauration. Wir waren ihrer drei am Tisch, nämlich ich, der Hausknecht und der Nachtwächter. Der Schulmeester saß am anderen Tisch bei den Vornehmen. Weil ich aber schtets een sehr leutseliger Mensch gewest bin, hatte ich mich zu den Zween gesetzt, die ooch ganz glücklich waren über diese Art von loyaler Herablassung. Bei der Weltgeschichte nun kamen wir ooch off den alten Papa Wrangel zu schprechen, und daß der sich das Zeitwort ‚merschtenteels‘ so angewöhnt gehabt hatte, daß er es bei jeder Gelegenheet zum Vorschein brachte. Bei dieser Gelegenheet nun fingen die beeden Kerls an, sich mit mir über die richtige orthographische Konterpunktion und Ausschprache dieses Wortes zu schtreiten. Jeder hatte eene andre Ansicht von seiner Meenung. Ich sagte, es müsse geschprochen werden mehrschtenteels; der Hausknecht meente aberst mehrschtenteils, und der Nachtwächter sagte gar meistenteels. Bei diesem Schtreite kam ich nach und nach in die Wolle, und endlich wurde es mir so warm, daß ich am allerliebsten mit allen Beinen drein geschprungen wäre; aberst als gebildeter Beamter und Staatsbürger bewahrte ich mir die Kraft, meine Selbstüberwindung zu beherrschen, und wendete mich an meinen Freund, den Schulmeester. Natürlich hatte ich recht, aber er mochte schlechte Laune haben oder so een bißchen Anflug von gelehrtem Übermut, kurz und gut, er gab mir nich recht und sagte, wir hätten alle drei unrecht. Er behauptete, in dem Wort mehrschtenteels müßten zwee ‚ei‘ schtehen. Weil ich nun aberst ganz gewiß weeß, daß es nur een eenziges Wort mit zwee ‚ei‘ gibt, nämlich Reisbrei, so wurde ich unangenehm. Ich will zwar keenem anderen seinen Dialekt verderben, aberst den meinigen soll man ooch reschpektieren, zumal wenn er der richtige is. Aberst das wollte der Nachtwächter nich einsehen; er sagte, ich könne ooch nich richtig schprechen, und da tat ich denn, was jeder Ehrenmann getan haben würde: ich warf ihm mein beleidigtes Ehrgefühl an den Kopf und das Bierglas dazu. Jetzt freilich gab es verschiedene Szenen ohne Kulissen, und das Ende war, daß ich wegen Störung der öffentlichen Unruhe und wegen Verletzung eenes beabsichtigten Körpers in Anklagezuschtand versetzt wurde. Ich sollte beschtraft und abgesetzt werden. Die Beschtrafung und Absetzung hätte ich mir wohl gefallenlassen, aberst daß ich ooch meine Anschtellung verlieren sollte, das war mir zuviel; das konnte ich nich verwinden. Als ich die Schtrafe und die Absetzung überschtanden hatte, ging ich auf und davon. Und weil ich alles, was ich eenmal mache, ooch gleich ordentlich mache, so ging ich gleich nach Amerika. Also is eegentlich nur der alte Wrangel schuld, daß Sie mich heut hier getroffen haben.“
    „Ich bin ihm sehr dankbar dafür, denn Sie gefallen

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