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11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ist das?“
    „Das ist K'un-tui-temba, das ‚Maul der Hölle‘“, antwortete Winnetou. „Mein Bruder hat die Stimme des Maules vernommen. Er wird es sogleich auch speien sehen.“
    Nur wenige Schritte ritt er weiter; dann blieb er halten und wendete sich rückwärts zu den roten Kriegern:
    „Meine Brüder mögen herbeikommen. Da unten hat sich das Höllenmaul geöffnet.“
    Er zeigte hinunter in den Abgrund, welcher sich vor ihnen öffnete, und die Indianer eilten zu ihm.
    Sie hielten, wie sie nun sahen, vor einer senkrecht mehrere hundert Fuß abfallenden Felsenwand, und unten lag das Tal des Feuerlochflusses. Gerade vor ihnen, am jenseitigen Ufer, stieg aus dem Erdboden eine wohl zwanzig Fuß im Durchmesser haltende Wassersäule ungefähr fünfzig Fuß senkrecht empor, und in dieser Höhe bildete sie einen beinahe kugelförmigen Knauf, aus welchem zahlreiche armstarke und noch stärkere Wasserstrahlen einzeln weit über hundert Fuß gen Himmel schossen. Das Wasser war heiß, denn eine Hülle von halb durchsichtigem Brodem umgab die gigantische Fontäne, welche oben regenschirmartig auseinanderging.
    Gerade hinter diesem Wunderwerk der Natur trat die Uferwand zurück und bildete einen tief ausgeschnittenen Felsenkessel, auf dessen hinterem Rand scheinbar die untergehende Sonne lag. Ihre Strahlen fielen auf die Wassersäule, welche dadurch als eine geradezu unbeschreibliche Kalospinthechromokrene in den herrlichsten Farben leuchtete und brillierte. Wäre der Standpunkt der Beschauer ein anderer gewesen, so hätten sie tausend in den Fluten und um dieselben umher zuckende Regenbogen sehen können.
    „Uff, uff!“ ertönte es fast aus einem jeden Mund, und der Häuptling der Schoschonen wendete sich fragend an Winnetou:
    „Warum nennt mein Bruder diesen Ort K'un-tui-temba, das ‚Maul der Hölle‘? Sollte derselbe nicht lieber T'ab-tui-temba genannt werden, der ‚Mund des Himmels‘?“
    „Nein, das wäre falsch.“
    „Warum? Tokvi-tey hat noch niemals etwas so Herrliches gesehen.“
    „Mein Bruder darf sich nicht täuschen lassen. Alles Böse scheint zuerst schön zu sein; ein kluger Mann aber urteilt erst, nachdem er das Ende abgewartet hat.“
    Die Augen der entzückten Indianer hingen noch staunend an dem prächtigen Bilde, da tat es plötzlich einen ähnlichen Donnerschlag wie vorhin, und augenblicklich änderte sich die Szene. Die Wassersäule fiel in sich selbst zusammen; einige Augenblicke wurde das Erdloch frei, aus welchem sie sich erhoben hatte; man hörte einen dumpfen, rollenden Ton, und dann stieß das Loch in einzelnen Rucken braungelbe Dampfringe aus. Diese Rucke folgten sich schneller und schneller, bis sie sich zu einem schrillen Zischen vereinigten; die einzelnen Ringe verbanden sich zu einer häßlichen Rauchsäule, und dann wurde eine dunkle, schlammartige Masse ausgeschleudert, welche beinahe gerade so hoch stieg wie vorher die Fontäne und einen entsetzlichen Gestank verbreitete. Einzelne feste Körper flogen weit über die flüssigen Massen hinaus, und wenn das geschah, so ertönte ein dumpf brüllendes Knurren, wie man es in Menagerien von hungrigen Raubtieren hört, kurz ehe sie gefüttert werden. Diese Ausbrüche erfolgten stoßweise, einer nach dem anderen, und in den Zwischenpausen erklang aus dem Loch ein Wimmern und Stöhnen, als ob da unten in der Tiefe die Seelen der Verdammten ihren Aufenthalt hätten.
    „Kats-angwa, schrecklich!“ rief Tokvi-tey, indem er sich die Nase zuhielt. „An diesem Geruch könnte der tapferste Krieger sterben.“
    „Nun“, fragte Winnetou lächelnd, „will mein Bruder auch jetzt noch dieses Loch den ‚Mund des Himmels‘ nennen?“
    „Nein. Möchten alle Feinde der Schoschonen dort unten begraben sein! Wollen wir nicht lieber weiterreiten?“
    „Ja, aber wir werden gerade da unten am ‚Maul der Hölle‘ unser Lager aufschlagen.“
    „Uff! Ist das nötig?“
    „Ja. Old Shatterhand hat es uns geboten, und so müssen wir es tun. Die Hölle hat für heute zum letztenmal geschrien; sie wird die Nasen der Schoschonen nicht wieder belästigen.“
    „So wollen wir dir folgen; sonst aber wären wir ihr lieber ferngeblieben.“
    Jetzt führte der Apache seine Begleiter ein Stück längs der Felsenkante hin bis dahin, wo das Ufer aus weicherem Gestein und erdigem Boden bestanden hatte. Hier waren die verborgenen Kräfte bis herauf zur Höhe tätig gewesen. Ein vor Jahrhunderten hier vorhandener Krater hatte die ganze Uferwand verschlungen; das

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