11 - Die Helden des Westens
Sie fragten sich das nicht. Sie waren tapfere Krieger und – schliefen ruhig ein. Natürlich aber waren Wachen ausgestellt worden.
Noch graute der Morgen kaum, so weckte Winnetou den Häuptling der Schoschonen und schritt mit ihm am Fluß hinab. Sie waren gewohnheitsmäßig so vorsichtig, jede mögliche Deckung zu benutzen, doch wußte Winnetou, daß dies nicht eigentlich nötig sei. Die Sioux verließen jedenfalls ihren Lagerort nicht eher, als bis der Tag vollständig angebrochen war.
Vom ‚Maul der Hölle‘ bis zum ‚Wasser des Teufels‘ war es vielleicht eine englische Meile. Als die beiden so nahe an den letzteren Ort gelangt waren, daß nun die größte Vorsicht geboten war, hatte der Morgen sich bereits so gelichtet, daß man alles genau und deutlich erblicken konnte.
Der Fluß machte unweit des Lagers der Feinde eine Krümmung. Dort hinter der Felsenecke stehend, konnten die beiden Häuptlinge die Sioux beobachten. Diese letzteren holten eben ihre Pferde herbei, welche, wie früher erwähnt, unterhalb des Lagers getränkt worden waren, und nahmen dann ihr Mahl ein.
Winnetou richtete seinen Blick nach der Höhe des rechten Flußufers, von woher Old Shatterhand kommen mußte, wenn er sich nicht vielleicht schon diesseits befand.
„Uff!“ sagte er leise. „Old Shatterhand ist da.“
„Wo?“ fragte Tokvi-tey.
„Da droben auf dem Berg.“
„Da kann man ihn ja doch nicht sehen. Dort steht ja dichter Wald.“
„Ja, aber sieht mein Bruder denn nicht die Krähen, welche über den Bäumen schweben? Sie sind aufgestört worden. Und von wem? Nur allein von Old Shatterhand. Er wird im Walde abwärts reiten und unterhalb der Sioux, wo sie ihn nicht sehen können, über den Fluß gehen. Dann greift er sie an und treibt sie am Wasser aufwärts. Zu derselben Zeit müssen wir am ‚Maul der Hölle‘ stehen, damit sie nicht weiter können und in das Tal des Häuptlingsgrabes getrieben werden. Mein Bruder mag schnell kommen, denn wir haben nicht viel Zeit übrig.“
Die beiden kehrten eilig zurück. Winnetou hatte im allgemeinen ganz richtig vermutet, wenn er auch das einzelne nicht wissen konnte.
Als sie bei den Ihrigen angekommen waren, erhielten diese von dem Apachen die nötigen Weisungen und machten sich kampfbereit. Der Feind sollte zwischen zwei Feuer genommen werden.
Jetzt ertönte von unten herauf ein fürchterliches Krachen.
„Das ‚Teufelswasser‘ erhebt seine Stimme“, erklärte Winnetou. „Nun wird auch der ‚Mund der Hölle‘ speien. Reitet ein Stück zurück, daß es euch nicht trifft!“
Er wußte von früher, daß die beiden Krater in Verbindung miteinander standen, und wich eine genügende Strecke zurück. Er hörte bald, daß die Eruption des ‚Teufelswassers‘ aufgehört hatte, und infolgedessen vernahm er das Kriegsgeschrei der dreißig Schoschonen und Upsarokas, welche sich in diesem Augenblick auf die Sioux warfen.
Was er vorausgesagt hatte, trat jetzt ein, das ‚Höllenmaul‘ begann zu speien, gerade wie gestern gegen Abend, als er angekommen war. Unter Donnern und Zischen stieg die Wassersäule empor, und ihre oben auseinander gehenden Strahlen flossen im weiten Umkreis nieder. Dadurch entstand für Winnetou und die Seinen eine prächtige Deckung, denn die herbeistürmenden Sioux konnten nun die hinter der Riesenfontäne haltenden Schoschonen nicht sehen. Winnetou trieb sein Pferd möglichst weit zur Seite, um stromabwärts blicken zu können. Er sah die Feinde kommen, flüchtig, einer ohne Ordnung hinter oder neben dem anderen, von einem geradezu panischen Entsetzen gejagt.
„Sie kommen!“ rief er. „Wenn ich das Zeichen gebe, brechen wir hinter dem speienden Maule hervor und lassen sie nicht zwischen demselben und dem Fluß aufwärts. Sie müssen links hinein in das Tal des Grabes. Aber schießt nicht. Der Schreck allein treibt sie hinein!“
Jetzt waren die vordersten Sioux ganz in der Nähe. Sie wollten wirklich flußaufwärts weiter. Da aber brach Winnetou hinter der Fontäne hervor. Sein „Jiiiii-iii!“ gellte schrill durch die Morgenluft, und die Schoschonen stimmten ein. Die Sioux sahen sich den Weg verlegt und warfen ihre Pferde eine Viertelwendung herum. Sie suchten ihre Rettung in dem Felsenkessel.
Hinter diesen ersten, vordersten Feinden zeigte sich eine dicht zusammengedrängte Gruppe von mehreren Reitern, über welche der Apache nicht sofort klug werden konnte. Es war ein aus Sioux und Weißen bestehender, in fließendem Galopp daherfegender
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