11 - Die Helden des Westens
ausgestreckten Hand bezeichnend:
„Und noch mehrere ebenso tapfere Krieger stehen da. Der Häuptling der Ogellallah erblickt da Tokvi-tey, den Anführer der Schoschonen, und Moh-aw, seinen starken Sohn. Neben ihnen steht Kanteh-pehta, der unüberwindliche Medizinmann der Upsaroka. Da drüben erblickst du Davy-honskeh und Jemmy-petahtscheh. Soll ich dir den berühmten Namen jedes einzelnen nennen? Nein. Ich habe keine Lust dazu. Du wirst – – –“
Er hielt mitten in seiner Rede innen, denn in diesem Augenblick tat es ganz in der Nähe einen so plötzlichen Knall, daß die Pferde sich aufbäumten und auch die sonst so furchtlosen Krieger erschraken. Ein langgezogener, brüllender Ton, wie der meilenweit vernehmbare Schall eines Nebelhornes, erklang durch das Tal, und die Erde begann sich unter den Füßen der erschrockenen Männer zu bewegen. Aus den auf der Talsohle zerstreuten Schlammlöchern stiegen Dämpfe auf, hier graublau, dort schwefelgelb, blutrot oder rußig dunkel. Diesen Dämpfen folgten festere Massen. Die Stellen, an denen dieselben emporgeschleudert wurden, waren gar nicht zu zählen. Die Luft war förmlich verdunkelt von höllischem Brodem und den umher- und durcheinanderfliegenden Schlammgeschossen, welche einen fast erstickenden Geruch verbreiteten.
Es war unmöglich, zwanzig oder dreißig Schritt weit zu sehen. Ein jeder hatte mit sich selbst zu tun, von den heißen, ausgeworfenen Massen nicht getroffen zu werden. Es trat eine unbeschreibliche Verwirrung ein. Die Pferde rissen sich los und galoppierten davon; die Menschen schrien und fuhren wirr durcheinander. Im Hintergrund des Talkessels erscholl das Angstgeheul der Sioux-Ogellallah. Auch ihre Pferde hatten sich frei gemacht und stürmten, von ihrem Instinkt geführt, dem Ausgang des Tales zu. Dabei stürzten viele von ihnen in die Löcher, deren Schlamm sich augenblicklich über ihnen schloß. An den am Ausgang des Tales haltenden Weißen und Roten vorüberjagend oder gar sich zwischen ihnen hindurch Bahn brechend, verdoppelten sie den Wirrwarr, der geradezu unbeschreiblich war.
Old Shatterhand hatte anfänglich seine Kaltblütigkeit bewahrt. Gleich beim ersten Knall hatte er den Häuptling der Sioux mit kräftiger Faust ergriffen, um ihn festzuhalten und an der Flucht zu hindern. Aber er hatte dann die Hand wieder von ihm lassen müssen, um vor einem der gefährlichen Fluggeschosse zur Seite zu springen. Dabei war er mit dem dicken Jemmy zusammengerannt. Dieser stürzte, wollte sich an Old Shatterhand festhalten und riß diesen mit nieder.
Und gerade jetzt kamen die Pferde der Sioux herbeigestürmt; da war es geraten, zunächst nur an sich selbst zu denken.
Der ‚Schwere Mokassin‘, der Häuptling der Sioux, hatte sich vor Schreck gar nicht gegen den Griff Old Shatterhands zu wehren versucht; dann aber, als er sich wieder frei fühlte, dachte er an seine Flucht. Einen schrillen, triumphierenden Schrei ausstoßend, schoß er davon, taleinwärts zu. Aber er kam nicht weit. Er mußte an Bob vorüber. Dieser holte blitzschnell mit dem umgekehrten Gewehr aus und traf ihn mit dem Kolben an den Kopf, wurde aber durch die Gewalt des Hiebes selbst zu Boden gerissen. Er wollte sich schnell aufraffen, wurde aber von einem der scheuen Pferde getreten, so daß er wieder niedersank.
„Häuptling reißen aus! Ihm nach, ihm nach!“ brüllte er laut.
Der ‚Schwere Mokassin‘ taumelte, von Bobs Hieb halb betäubt, einige Augenblicke hin und her, dann eilte er davon, aber nicht ohne verfolgt zu werden.
Martin, der Sohn des Bärenjägers, hatte den Ruf des Negers gehört. Er sah den Häuptling fliehen und sprang demselben nach. Sollte der Peiniger seines Vaters entkommen? Nein! Die Glieder des wackeren Jünglings waren von den Fesseln verletzt; er hatte auch keinerlei Waffe bei sich; dennoch aber flog er, alle seine Kräfte einsetzend, hart hinter dem Flüchtigen her.
Dieser nahm sich gar nicht Zeit zurückzublicken. Er glaubte sich unverfolgt und verwendete seine ganze Aufmerksamkeit auf den Weg, welchen er einzuschlagen hatte. Er wollte nach dem Kraal zu. Aber gerade in dieser Richtung lagen die meisten Schlammlöcher; er bog daher rechts ein, der Talwand zu, um sich derselben entlang leichter und gefahrloser in Sicherheit zu bringen.
Aber er hatte sich geirrt. Auch dort gab es so viele offene dampfende und qualmende Stellen, daß er wiederholt gezwungen war, auszuweichen. Oft hatte er bereits den Fuß zum Sprung erhoben, da bemerkte er,
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