11 - Die Helden des Westens
Pferd zu besitzen. Der erste ist dieser Heilige der letzten Tage. Vielleicht stehen eure beiden Pferde beieinander. Vielleicht stehen auch noch andere Pferde und auch noch Reiter dabei, um auf eure Rückkehr zu warten. Ich sage Euch, daß ich in dieser Nacht mein Haus bewachen und morgen mit Tagesanbruch die Umgegend säubern werde. Da wird es sich höchstwahrscheinlich zeigen, daß Ihr sehr gut beritten seid!“
Der Fremde ballte die Fäuste, erhob die rechte zum Schlage, trat um einen Schritt näher an Helmers heran und schrie:
„Mensch, willst du etwa sagen, daß ich ein Bravo sei? Sage es deutlich, wenn du Mut hast; dann schlage ich –“
Er wurde unterbrochen.
Bloody-Fox hatte diesem Mann weniger Aufmerksamkeit geschenkt als dessen Gewehr. Als der Fremde sich erhoben hatte und dem Baum nun den Rücken zukehrte, stand der Jüngling auf und trat an den Stamm, um das Gewehr genau zu betrachten. Sein bisher gleichgültiges Gesicht nahm einen ganz anderen Ausdruck an. Seine Augen leuchteten, und ein Zug eiserner, gnadenloser Entschlossenheit legte sich um seinen Mund. Er wendete sich zu dem Fremden und legte demselben, ihn in der Rede unterbrechend, die Hand auf die Achsel.
„Was willst du, Junge?“ fragte der Mann.
„Ich will dir an Helmers' Stelle Antwort geben“, antwortete Bloody-Fox in ruhigem Ton. „Ja, du bist ein Bravo, ein Räuber, ein Mörder. Nimm dich vor dem Geist des Llano in acht, den wir den Avenging-ghost nennen, weil er jeden Mord mit einer Kugel durch die Stirn an dem Mörder zu rächen pflegt.“
Der Riese trat mehrere Schritte zurück, maß den Jüngling mit einem erstaunt verächtlichen Blick und lachte dann höhnisch auf:
„Knabe, Bursche, Junge, bist du toll? Ich zerdrücke dich doch mit einem einzigen Griff meiner Hände zu Brei!“
„Das wirst du bleibenlassen! Bloody-Fox ist nicht so leicht zu zermalmen. Du hast geglaubt, Männern gegenüber unverschämt sein zu können. Nun kommt ein Knabe, um dir zu beweisen, daß du geradesowenig zu fürchten bist wie ein toter Mensch. Betrachte dich von diesem Augenblick an als Leiche! Die Mörder des Llano werden vom Avenging-ghost mit dem Tod bestraft. Du bist ein Mörder, und da der Geist nicht anwesend ist, werde ich seine Stelle vertreten. Bete deine letzten drei Paternoster und Ave Marias; du hast vor dem ewigen Richter zu erscheinen!“
Diese Worte des jungen Mannes, welcher noch ein halber Knabe war, machten einen außerordentlichen Eindruck auf die Anwesenden. Er kam ihnen ganz anders vor als vorher. Sein Auftreten war noch mehr als dasjenige eines erwachsenen Mannes. Er stand da, stolz aufgerichtet, mit drohend erhobenem Arm, blitzenden Augen und einem unerschütterlichen Entschluß in den festen Zügen – ein Bote der Gerechtigkeit, ein Vollstrecker des gerechten Strafgerichtes.
Der Fremde war, trotzdem er den Jüngling fast um Kopfeslänge überragte, bleich geworden. Doch faßte er sich schnell, stieß ein lautes Gelächter aus und rief:
„Wahrhaftig, er ist verrückt. Ein Floh will einen Löwen verschlingen! So etwas hat noch niemand gehört! Mensch, beweise es doch einmal, daß ich ein Mörder bin!“
„Spotte nicht! Was ich sage, geschieht, darauf kannst du dich verlassen! Wem gehört das Gewehr, welches da am Stamm des Baumes lehnt?“
„Natürlich mir.“
„Seit wann ist es dein Eigentum?“
„Seit über zwanzig Jahren.“
Trotz seines vorigen Gelächters und seiner geringschätzigen Worte machte die jetzige Haltung des Knaben einen solchen Eindruck auf den starken Mann, daß ihm gar nicht der Gedanke kam, ihm die Antwort zu verweigern.
„Kannst du das beweisen?“ fragte Bloody-Fox weiter.
„Kerl, wie soll ich das beweisen? Kannst du etwa den Beweis des Gegenteils erbringen?“
„Ja. Diese Büchse gehörte dem Señor Rodriguez Pinto auf der Estancia bei Meriso drüben bei Cedar Grove. Er war vor zwei Jahren mit seinem Weib, seiner Tochter und drei Vaqueros hüben in Caddo-Farm auf Besuch gewesen. Er verabschiedete sich dort, kehrte aber niemals heim. Kurze Zeit darauf fand man die sechs Leichen in dem Llano estacado, und die Spuren im Boden verrieten, daß die Pfähle versteckt, also in falsche Richtung geordnet worden waren. Diese Büchse war die seinige; er trug sie damals bei sich. Hättest du behauptet, sie seit der angegebenen Zeit von irgendwem gekauft zu haben, so wäre die Sache zu untersuchen. Da du aber behauptest, sie bereits zwanzig Jahre zu besitzen, so hast du sie nicht von dem
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