11 - Die Helden des Westens
auf; das mögt ihr glauben. Wir brauchen keinen Lawyer aus dem Osten. Wir haben die Paragraphen der Prärie studiert und verstehen es genugsam, ihnen Geltung zu verschaffen. Wir sind ehrliche Leute, und ihr habt euch in uns getäuscht; aber wir werden es euch nicht entgelten lassen, denn euer polizeilicher Scharfsinn hat uns großen Spaß gemacht. Ihr habt hier vor dem Toten gestanden wie ein Häuflein Primer boys vor einer ägyptischen Pyramide, und eure Weisheit anzuhören, das war für uns das höchste der Gefühle. Einen solchen Fall aufzuklären, das lernt man auf keinem College und auch auf keiner Universität. Merkt euch das. Die dazu nötigen Kenntnisse eignet man sich nur auf der hohen Schule der Prärie an, und da ist ein jeder von euch wohl nur ein Cockney zu nennen. Jetzt werden wir beide die Sache nach unserer Weise in die Hand nehmen, und da sollt ihr erfahren, welch ein anderes Resultat wir erlangen. Leider wißt ihr nicht, was in einem solchen Fall eine unbeschädigte Fährte zu bedeuten hat. Ihr habt eure Pferde hier nach Belieben trampeln lassen. Nun ist es freilich beinahe unmöglich, die eigentliche Spur zu lesen. Wir wollen es aber versuchen, es fertigzubringen. Suchen wir einen Kreis ab, Tim, du nach rechts und ich nach links. Drüben treffen wir dann zusammen.“
Diese Art zu sprechen, verfehlte den beabsichtigten Eindruck nicht. Niemand entgegnete ein Wort, und selbst Gibson schwieg. Freilich machten sie höchst finstere Gesichter; aber als die Brüder sich jetzt nach verschiedenen Seiten entfernten, wagte es keiner, sie zu hindern oder sich ihrer Tiere wieder zu bemächtigen.
Jeder der beiden schritt, den Boden sorgfältig untersuchend, einen weiten Halbkreis ab, dessen Mittelpunkt die Leiche war. Als sie zusammentrafen, teilten sie sich ihre Ergebnisse mit und kehrten dann zurück. Nun untersuchten sie auch das Pferd, den Toten und den zerstampften Boden. Die Sorgsamkeit, mit welcher sie sogar einzelne Steinchen betrachteten, wollte den anderen fast lächerlich erscheinen. Zuletzt sprachen sie wieder eine Weile leise miteinander, bis sie zu einer Ansicht gekommen zu sein schienen. Dann wendete Tim sich an den Advokaten:
„Master Gibson, Ihr wolltet uns arretieren, weil wir uns hier befinden, und weil ich in die Taschen dieses Toten griff. Mit ganz denselben Rechten könnten wir Euch festnehmen, da Ihr Euch ja auch von außen um diesen Platz herumgeschlängelt und dann dieselben Taschen untersucht habt. Wir wissen aber, daß Ihr unschuldig seid, und Ihr habt also nichts zu befürchten.“
„Oh, das wissen wir auch überdies. Was sollte uns von euch geschehen!“
„Alles, was uns beliebte. Ihr habt ja gar keine Ahnung von der Art und Weise eines Westmanns. Wenn es uns beiden beliebt, so bringen wir euch alle sechs trotz eurer Waffen gebunden nach Helmers Home. Ihr hättet die Wahl nur zwischen Gehorsam oder Tod. Gut für euch, daß es anders steht! Als wir ankamen, sahen wir euch bei der Leiche. Wir hätten also Veranlassung, Verdacht gegen euch zu hegen, während euer gegen uns gezeigtes Mißtrauen ein ganz unsinniges war. Schon daß der Mann skalpiert worden ist, mußte euch auf die Vermutung bringen, daß er durch die Kugel eines Indianers fiel. Wir dachten das sofort und haben es bestätigt gefunden. Übrigens ist ihm wohl sein Recht geschehen. Erst bemitleideten wir ihn, doch ohne Grund, wie sich jetzt herausgestellt hat. Er ist ein schlimmer Kerl gewesen, das Mitglied einer Bande von Bush-runners, welche hier ihr Wesen zu treiben scheinen. Nehmt euch vor ihnen in acht!“
Seine Worte wurden mit dem größten Staunen entgegengenommen.
„Wie!“ fragte Gibbon. „Das alles wollt Ihr aus den Spuren ersehen haben?“
„Das und noch viel mehr.“
„Das ist ganz unmöglich!“
„So sagt Ihr, weil Ihr ein Neuling seid. Man kann eine Fährte so gewiß lesen wie die Zeilen und Seiten eines Buches. Freilich gehört unbedingt dazu, daß man sich eine Reihe von Jahren von außen um den wilden Westen geschlängelt hat. Das ist nicht bei Euch, aber bei uns der Fall. Der Mann ist nicht auf dem Platz, wo er sich befindet, erschossen worden. Habt Ihr bemerkt, daß die Kugel ihm den ganzen Körper durchbohrt hat und zum Rücken hinausgedrungen ist?“
„Ja.“
„So kommt einmal mit zur Seite!“
Die anderen folgten ihm, bis er nach einigen Schritten stehenblieb und auf den Boden deutete, welcher aus hartem, nacktem Gestein bestand. Da lag eine große Lache geronnenen Blutes.
„Was
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