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11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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jedenfalls etwas bemerken.“
    Die erwähnte Pflanze war eine Yucca gloriosa, welche hier im trockenen, sandigen Boden in ihrer Entwicklung zurückgeblieben war. Sie blühte noch und trug eine Rispe weißer, purpurn angehauchter Blumen. Mehrere ihrer steifen, schmalen, lanzettig geformten und blaugrün gefärbten Blätter lagen an der Erde. Sie waren nicht von selbst abgefallen, sondern abgerissen worden.
    „Es ist jemand hier gewesen und hat sich mit der Yucca zu schaffen gemacht“, sagte Gibson in klugem Ton.
    „So! Und wer ist denn dieser Jemand gewesen?“
    „Das kann man nicht wissen.“
    „Man kann es wissen, ja, man muß es sogar wissen. Ein Mensch hat die Pflanze nicht berührt, aber er hat ihr aus der Ferne eine Kugel zugesandt, welche die Blätter abgefetzt und dann dieses Licht hier durch den Stengel geschlagen hat. Seht ihr es denn nicht?“
    Sie bemerkten es erst jetzt. Tim fuhr fort:
    „Kein Mensch schießt aus Langeweile eine Pflanze nieder. Die Kugel hat demjenigen gegolten, welcher sich da hinter uns zur Erde warf. Wenn wir uns nun von der Yucca aus eine Linie denken, welche die Stelle berührt, wo der letzterwähnte Mann gestanden hat, und sie in gerader Richtung verlängern, so wissen wir genau, aus welcher Gegend die Kugel gekommen ist. Da sie durch den unteren Teil des Stengels schlug, hat sich die Mündung des Gewehrs, aus welcher sie kam, beträchtlich hoch über dem Erdboden befunden, und ihr könnt mir jedenfalls sagen, was daraus zu schließen ist?“
    Sie blickten ihn verlegen an, antworteten aber nicht. Darum erklärte er weiter:
    „Derjenige, welcher geschossen hat, stand nicht auf der Erde, sondern er saß im Sattel. Das ist für mich so gewiß wie nur irgend etwas. Aus allem, was wir hier gesehen haben, ist also folgendes zu schließen: Ein mit einem Gewehr bewaffneter Indianer hat dort, wo wir die Spur betrachten, auf der Erde gestanden. Ein Reiter, welcher ungefähr aus Nordosten kam, schoß vom Pferd auf ihn, worauf der Rote, ohne von der Kugel getroffen zu sein, sich augenblicklich platt auf den Boden niederwarf, und zwar so, daß er das Gesicht nach oben kehrte. Warum aber tat er das? Warum legt ein Unverwundeter sich nieder, wenn auf ihn geschossen wurde? Da gibt es nur eine einzige Erklärung, nämlich er will den Schützen heranlocken; er will ihn glauben machen, daß er tot sei. Der Reiter kam auch wirklich herbei – – –“
    „Woraus seht Ihr das?“ fragte Gibson erstaunt.
    „Das will ich Euch zeigen. Kommt nur wieder zurück nach dem Platz, an welchem sich der Tote befindet! Ich kann mir den ganzen Verlauf des Ereignisses so klar und deutlich vorstellen, als ob ich Augenzeuge desselben gewesen sei. Wer ein scharfes und gut geübtes Denk- und Beobachtungsvermögen besitzt, der schlängelt sich von außen her mit größter Leichtigkeit um so ein geheimnisvolles Ereignis herum und weiß dann sehr bald, woran er ist. Mit Eurer Jurisprudenz aber würdet Ihr da nicht weit kommen.“
    Er führte ihn an der Leiche vorüber, nach einer Stelle, an welcher sich dürftig belaubtes Knieholz befand, zwischen denen es kleine, freie Sandflecke gab. Hier gab es einen größeren Eindruck im Sand, und er fragte, auf welche Weise derselbe wohl entstanden sei.
    „Er scheint auch hier jemand gelegen zu haben“, antwortete Gibson.
    „Mit dieser Vermutung habt Ihr recht; aber wer ist es gewesen?“
    „Etwa der Tote, bevor er starb?“
    „Nein, denn dieser wurde so gut in das Herz getroffen, daß er sich gar nicht mehr bewegen konnte. Es war ihm unmöglich, sich hierher zu schleppen. Übrigens müßte sich eine Blutlache hier befinden, wenn er es gewesen wäre.“
    „So war es der Indianer, welcher sich bereits da drüben einmal niederwarf?“
    „Auch dieser nicht. Es gab für ihn ja gar keinen Grund, sein schlaues Manöver zu wiederholen. Auch haben wir erfahren, daß er vollständig unverletzt war, während derjenige, welcher hier gelegen hat, schwer verwundet gewesen ist. Wir haben es also jedenfalls mit einer dritten Person zu tun.“
    „Aber“, sagte Gibson im höchsten Erstaunen, „dieser Sand ist für euch wirklich ein aufgeschlagenes Buch. Ich könnte nicht eine Zeile desselben lesen!“
    Auch auf den Gesichtern seiner Gefährten stand die größte Verwunderung zu lesen. Jim hatte die Erklärung bisher seinem Bruder überlassen. Jetzt ergriff er das Wort:
    „Darüber braucht man Mund und Augen gar nicht aufzureißen, Mesch'schurs. Was euch so unglaublich erscheint,

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