11 - Die Helden des Westens
entfernt, bevor ich alles genau untersucht und sodann meine Anordnungen getroffen habe. Der Fall ist himmelschreiend und kann euch in unangenehme Verwicklungen bringen.“
„Oh, das macht uns keine Sorge, denn wir sind überzeugt, daß es Eurem Scharfsinn gelingen werde, diese Verwicklungen wieder auseinanderzuwickeln.“
Gibson zog es vor, diese neue Malice unbeantwortet zu lassen, dafür aber seinen Begleitern den Befehl zu erteilen:
„Nehmt die beiden Maultiere fest, damit es diesen Verdächtigen nicht etwa einfällt, davonzureiten!“
Die Brüder ließen es auch ruhig geschehen, daß dieses Gebot ausgeführt wurde. Es gab ihnen offenbar Spaß zu beobachten, was diese im fernen Westen unbekannten Menschen unternehmen würden.
Das Auffinden einer skalpierten Leiche war an sich natürlich keineswegs geeignet, die Brüder heiter zu stimmen. Der Präriejäger ist in Beziehung auf dergleichen Vorkommnisse ziemlich abgehärtet; aber der Anblick, welchen der seiner Kopfhaut beraubte und im Gesicht geschändete Tote bot, wirkte grauenerregend. Dazu kam die Befürchtung, die sie in Betracht ihrer persönlichen Sicherheit hegen mußten. Es stand bei ihnen fest, daß der Mann von einem Indianer getötet und skalpiert worden sei, und da nicht anzunehmen war, daß eine einzige Rothaut sich so weit nach Osten wagen werde, so stand zu vermuten, daß ein ganzer Trupp Indsmen sich in der Nähe befinde. Es galt also, vorsichtig zu sein, falls die späteren Beobachtungen nicht etwas anderes ergaben. Aus Gibson und seiner Gesellschaft machten die beiden sich so wenig wie möglich, also gar nichts.
Der Advokat untersuchte nun höchst eigenhändig die Taschen des Toten. Sie waren leer, ebenso der Gürtel.
„Er ist bereits ausgeraubt worden“, sagte er. „Es liegt also ein Raubmord vor, und es ist unsere Pflicht, den Mörder zu entdecken. Die Spuren beweisen, daß nicht ein einzelner Mann die Tat begangen hat. Es sind ihrer mehrere gewesen, und wenn ich bedenke, daß das böse Gewissen den Verbrecher nach dem Ort seiner Untat zurückzutreiben pflegt, so vermute ich, daß wir gar nicht weit zu gehen haben, um die Mörder zu finden. Gebrüder Hofmann, ihr seid meine Gefangenen und werdet uns zur nächsten Ansiedlung begleiten; das ist Helmers Home. Dort werden wir den Fall mit aller Strenge untersuchen.“
Er war in einer Haltung, welche imponieren sollte, vor die beiden hingetreten.
„Gebt also eure Waffen ab!“ fügte er gebieterisch hinzu.
„Sehr gern“, antwortete Jim. „Hier hast du mein Gewehr. Greif zu!“
Er legte auf ihn an. Die Hähne knackten. Gibson sprang erschrocken zur Seite und rief:
„Schuft! Willst du dich widersetzen!“
„O nein“, lachte Jim. „Von einer Widersetzung kann gar keine Rede sein. Ich will dich nur bitten, mir das Gewehr möglichst behutsam aus der Hand zu nehmen; es könnte sonst losgehen, und dann wäre es mit deiner berühmten Advokatur zu Ende. Also greif fein säuberlich zu!“
„Auch noch Hohn? Mensch, ich lasse dich fesseln, daß du dich krümmen sollst vor Schmerzen!“
„Soll mir sehr angenehm sein, denn so ein richtiges Zusammenschnüren ist das höchste der Gefühle. Und damit die anderen Herren die Hände für diese Arbeit frei bekommen, wollen wir sie von unseren Maultieren erlösen. Polly, her zu mir!“
„Molly, komm!“ rief auch Tim.
Die Tiere hatten sich bisher ruhig an den Zügeln halten lassen, sobald sie aber die befehlenden Stimmen ihrer Herren hörten, rissen sie sich los und kamen schnaubend herbei.
„Festhalten, festhalten!“ rief Gibson; aber es war bereits zu spät.
„Bemüht euch nicht weiter!“ lachte Jim. „Ihr könntet die Bestien nicht halten; sie würden euch vielmehr unter die Hufe treten. Es ist gar nicht so leicht, zwei richtige Westmänner festzunehmen.“
„Wenn ihr nicht gehorcht, lasse ich auf euch schießen!“
„Oho! Das werdet ihr bleiben Lassen! Wie wenig wir euch fürchten, mögt ihr daraus ersehen, daß ich mein Gewehr aus dem Anschlag nehme. Doch sage ich euch, daß jeder, welcher sich uns auf mehr als drei Schritte nähert, sofort die Kugel in den Kopf bekommt. Leute eures Kalibers gelten hier gar nichts. Man lacht sie höchstens aus. Was sind hier am Rande des Llano zehn Advokaten gegen einen einzigen tüchtigen Prärieläufer! Hier wird nicht in Worten, sondern mit Pulver und Blei gesprochen, und in dieser Beziehung seid ihr ja doch nur Kinder gegen uns. Gegen unsere Guns kommt ihr mit euren Kolibriflinten nicht
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