11 - Die Helden des Westens
uns ihm nicht nur nähern, sondern wir müssen ihn durchreiten. Wir sind in einer Estancia nahe bei San Diego als Oberhirten angestellt und wurden vom Estanciero beauftragt, drüben in Neu-Braunfels Gelder einzukassieren. Eine gefährliche Sache, nicht wahr? Darum reiten wir zu zweien.“
„Gefährlich wird es erst auf dem Rückweg, wo ihr das Geld bei euch habt. Es ist immer eine heikle Aufgabe, anderer Leute Geld durch den Llano zu schleppen. Das, was wir uns in Kalifornien gespart haben und jetzt bei uns tragen, ist unser Eigentum. Wir haben also keine Verantwortlichkeit zu tragen und sind besser daran als ihr. Trotzdem muß man euren Mut bewundern. Wir sind vier Personen und haben es uns doch überlegt, ob es nicht geratener sei, einen Umweg zu machen. Ihr wollt euch zu zweien über die Plains wagen. Das ist kühn.“
„Nicht allzusehr, Señor“, antwortete Carlos. „Kennt Ihr den Llano genau?“
„Keiner von uns hat ihn gesehen.“
„Das ist freilich etwas anderes. Wer ihn nicht kennt, der mag von ihm lassen. Wir beide aber haben ihn bereits wohl über zwanzigmal durchritten und sind also so vertraut mit ihm, daß von einer Gefahr eigentlich nicht die Rede sein kann.“
„Ah, steht es so! Hm! Nach Neu-Braunfels wollt ihr? Das liegt ja fast genau in unserer Richtung! Also könnten wir uns euch anschließen, wenn ihr nichts dagegen hättet.“
Als er vorhin unvorsichtigerweise das Geld erwähnte, welches er und seine Gefährten mit sich führten, hatten die beiden Mexikaner einen schnellen Blick miteinander gewechselt. Jetzt antwortete Carlos fast allzuschnell:
„Wir haben nicht das mindeste dagegen. Ihr seid uns im Gegenteil sehr willkommen, denn je zahlreicher wir sind, desto besser sind wir Gefahren gegenüber gewappnet.“
„Dann gut, Señor! Wir reiten mit, und ihr werdet es nicht bereuen, uns hier getroffen zu haben. Wie aber steht es da nun mit eurem heutigen Tagesritt?“
„Wir wollten noch bis zum Rio Pecos hinab, vielleicht gar bis zum Anfang des Yuavh-Kai.“
„Wo ist das?“
„Das Wort ist aus der Sprache der Yutahs und Comanchen und bedeutet so viel wie ‚Singendes Tal‘. Man erzählt, daß sich in diesem Tal nächtlicherweile oft überirdische, ganz unbegreifliche und unerklärliche Stimmen hören lassen. Wir beide aber haben, obgleich wir oft durch dasselbe geritten sind, noch nie etwas davon vernommen. Ihr hattet euch hier wohl schon zur Abendrast gelagert?“
„Nein. Das würde ja die unverzeihlichste Zeitverschwendung sein. Auch wir wollten den Pecos erreichen und vielleicht dem Lauf desselben folgen, um den Llano zu umgehen. Da wir aber euch getroffen haben und ihr uns mitnehmen wollt, so werden wir also quer durch die Wüste gehen. Meint Ihr, daß wir da auf Indianer treffen werden?“
„Schwerlich. Ein solches Zusammentreffen haben wir hier mehr zu fürchten als in den Plains. Da wir bisher keinen Roten sahen, so haben wir auch für später keine dergleichen Begegnung zu erwarten. Die Kerls schwärmen jetzt nicht, da zwischen den beiden Völkerschaften erst kürzlich die Kriegsbeile vergraben wurden.“
„Das hört man gern. Aber wie steht es mit den sogenannten Llanogeiern? Diese sollen weit gefährlicher als sogar die Indianer sein.“
„Pah! Das laßt euch ja nicht weismachen! Ihr wißt nun, wie oft wir in dem Llano waren, aber es ist uns nie geglückt, einen dieser Geier zu sehen, welche nur in der Phantasie dummer und furchtsamer Menschen leben.“
„Aber der sogenannte Geist des Llano estacado?“
„Ist auch ein Hirngespinst, welches seinesgleichen sucht. Kindermärchen! Der Llano ist eine Sandstrecke wie jede andere auch. Es gibt da viel Sand und kein Wasser. Der Boden ist so unfruchtbar, daß nicht einmal Gespenster auf demselben wachsen. Und was den Wassermangel betrifft, so ist demselben sehr leicht abzuhelfen, denn es gibt Kaktuspflanzen genug, welche einen ganz trinkbaren Saft absondern. Es ist also gar keine Veranlassung vorhanden, sich vor den Plains zu fürchten.“
„Habe mir das Gegenteil sagen lassen; aber da Ihr die Gegend kennt, so glaube ich natürlich Euren Worten. Wenn ihr euch nicht etwa ein Weilchen hier niederlassen wollt, so sind wir bereit, gleich aufzubrechen.“
„Am besten ist's, wir reiten weiter. Hoffentlich halten eure Pferde es aus?“
„Sie sind weit besser, als sie aussehen; ihretwegen brauchen wir gar nicht zu säumen.“
Das Aussehen der beiden Mexikaner war allerdings nicht geeignet, Mißtrauen zu erwecken,
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