11 - Die Helden des Westens
Bodenverhältnisse es gestatten, eine zuweilen sogar üppige Vegetation zur Folge. Das Wort Wüste ist, gerade wie bei der Gobi und Sahara, so auch hier nicht im strengsten Sinne des Wortes zu nehmen. Da, wo der westliche Rand des Llano estacado sich zu den erwähnten Bergen erhebt, kommen verschiedene kleine Wasserläufe von den letzteren herab, welche zwar meist im Sand versiegen, aber auf ihrem Weg doch so viel Feuchtigkeit verbreiten und den angrenzenden Boden so durchtränken, daß an ihren Ufern Sträucher und sogar Bäume recht gut zu existieren vermögen. Diese grünen Stellen ragen gleich Halbinseln oder Landzungen in das Sandmeer des Llano hinein und bilden zwischen sich breitere oder schmalere, tiefere oder seichtere Busen, in denen Gras und Kräuter Nahrung finden.
Es ging sogar die Sage, daß es in der Mitte des Llano eine starke Quelle köstlichen Trinkwassers gebe, welches tief aus dem Erdinnern emporsteige und eine kleine, seeartige Fläche bilde, deren Ufer mit schattengebendem Baum- und Buschwerk eingefaßt sei. Alte Jäger hatten davon gesprochen, die Quelle und den See aber niemals selbst gesehen! Gelehrte Leute, welche davon gehört hatten, waren der Ansicht gewesen, daß das Vorhandensein von Wasser mitten in dem Llano keineswegs als eine hydrographische Unmöglichkeit zu bezeichnen sei.
Am Ufer des Togahflüßchens saßen vier Männer, deren Aussehen nicht eben sehr vertrauenerweckend war. Ihre wirren, struppigen Kopf- und Barthaare hatten lange Zeit der Pflege entbehrt; ihre Anzüge befanden sich in einem Zustand, welchen jeder Flickschneider für unverbesserlich erklärt hätte, und ihre braunen Hände und vom Wetter gegerbten Gesichter schienen monatelang mit keinem Tropfen Wasser in Berührung gekommen zu sein. Desto besser aber waren sie bewaffnet, denn jeder von ihnen hatte einen Hinterlader neben sich liegen und neben dem Messer zwei Revolver im Gürtel stecken.
Drei von ihnen waren ganz gewiß Yankees. Ihre langen, hageren Gestalten, ihre nach vorn gebeugten, schmalbrüstigen Oberkörper und ihre scharfgeschnittenen Gesichtszüge bewiesen das. Aber welcher Nationalität der vierte angehörte, das war schwerer zu bestimmen.
Dieser Mann hatte eine untersetzte, breitschulterige Figur, außerordentlich große, breite Hände und ein ebenso in die Breite gehendes Gesicht mit sehr großen, weit abstehenden Ohren. Wer nur einen kurzen, oberflächlichen Blick in sein Gesicht warf, der konnte ihn leicht für einen Neger halten, denn sein Gesicht war schwarz oder vielmehr körnig blauschwarz, aber nur bis in die Gegend der Augen. Er pflegte den Hut so tief hereinzuziehen; sobald er ihn aber in den Nacken schob, konnte man sehen, daß die Gesichtshaut bis über die Nasenwurzel herab weiß war. Der Mann war jedenfalls durch explodierendes Pulver verbrannt worden.
Trotz der dadurch hervorgebrachten Entstellung seiner Züge hatte das Gesicht nichts geradezu Abstoßendes. Wer ihn genauer betrachtete, kam gewiß zu der Überzeugung, einen ‚guten Kerl‘ vor sich zu haben.
Ganz ebenso war es mit den drei anderen. Wer sie in ihrem jetzigen Aufzug in einer zivilisierten Gegend hätte sitzen sehen, der wäre ihnen gewiß weit ausgewichen, bei näherer Bekanntschaft aber mußte diese Scheu verschwinden.
Die vier Pferde weideten im Gras, welches reichlich zwischen den grünen Büschen stand. Man sah es ihnen an, daß sie sehr strapaziert worden waren. Das Sattel- und Zaumzeug war alt und an vielen Stellen nur notdürftig ausgebessert.
Ihre Herren hatten gegessen. Den in der Nähe zerstreuten Knochen nach war anzunehmen, daß sie sich ein Racoon (Waschbär) an dem kleinen Feuer gebraten hatten, dessen Reste nur noch leise glimmten. Während sie sich nun unterhielten, unterließen sie es nicht, die Gegend öfter mit scharfen Blicken abzusuchen. Sie befanden sich eben in den ‚Shears‘, wo die größte Aufmerksamkeit geboten ist.
„Nun wird es Zeit, uns zu entscheiden“, sagte derjenige Yankee, welcher der älteste von ihnen zu sein schien. „Reiten wir durch den Llano, so kommen wir eher ans Ziel, laufen aber mancherlei Gefahr und haben an diesem alten ‚Coon‘ hier für Tage hinaus unser letztes Fleisch gegessen. Reiten wir aber am Rio Pecos hinab, so brauchen wir weder Hunger noch Durst zu leiden, machen aber einen Umweg von beinahe einer Woche. Was ist deine Meinung, Blount?“
Blount, welcher neben ihm saß, strich sich nachdenklich den Bart und antwortete dann:
„Wenn ich alles genau
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