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11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welche in eigentümlich bleichem, farblosem Licht erglänzten. Jeder dieser Pflanzenkandelaber trug mehrere solcher Büschel; jeder Leuchterarm schien ein solches Flämmchen auf seiner Spitze zu haben. Es war eine wunderbare, fast geisterhafte Erscheinung.
    „Was mag das sein?“ fragte Porter.
    „Ich habe es nie gesehen!“ antwortete Falser. „Man möchte sich beinahe fürchten.“
    Da ließ sich hinter ihnen eine tiefe, klare Stimme hören, hinter ihnen, innerhalb der Sträucher, also am Feuer, wo sie soeben gewesen waren und wo außer ihnen sich doch kein Mensch befinden konnte:
    „Das ist Ko-harstesele-yato, die Flämmchen des großen Geistes, welche er anbrennt, wenn er seine Kinder warnen will.“
    „Cápita! Wer ist da hinter uns?“ rief Emilio Cortejo erschrocken. „Befinden wir uns etwa in einem Hinterhalt?“
    „Nein“, antwortete der Bärenjäger. „Es ist mein Gefährte, den wir erwarten. Er ist, wie das so in seiner Weise liegt, angekommen, ohne daß er es uns merken ließ.“
    Sie wendeten sich zurück. Und richtig, da hielt gerade neben dem Feuer ein Reiter. Wie hatte er, noch dazu zu Pferde, in das Innere des Gebüschkreises kommen können, ohne gehört zu werden? Er saß auf einem prachtvollen Rappen, welcher auf indianische Weise aufgeschirrt und gesattelt war. Indianisch war auch der Anzug des Mannes, indianisch sein Gesicht, welches keine Spur von Bart zeigte. Dafür aber hing ihm eine Fülle langen, schwarzen Haares weit über den Rücken herab; in der Hand hielt er eine zweiläufige Büchse, deren Holzteile mit silbernen Nägeln beschlagen waren.
    Die Yankees und Mexikaner ließen Ausrufe des Erstaunens, der Bewunderung hören.
    „Wer ist das?“ fragte Porter. „Ein Indianer! Sind noch andere hier?“
    „Nein, er ist allein“, antwortete Baumann. „Es ist Winnetou, der Häuptling der Apachen.“
    „Winnetou, Winnetou!“ ertönte es aus aller Munde.
    Er stieg vom Pferd, ohne auf die bewundernd auf ihn gerichteten Blicke zu achten, trat aus dem Gebüsch hinaus, deutete auf die Flämmchen und sagte:
    „Weil die Bleichgesichter sich in diesem abgeschlossenen Tal befanden, haben sie nicht bemerkt, was außerhalb desselben vorgegangen ist. Damit sie es erfahren, sendet der große Manitou ihnen dieses feurige Totem. Winnetou weiß nicht, ob sie es lesen können.“
    „Was ist denn geschehen?“ fragte Blount.
    „Der 'ntch-kha-n'gul (Verheerende Sturm, Tornado) ist über den Llano gegangen. Winnetou sah den schwarzen Leib desselben im Norden. Wehe denen, welche ihm begegnet sind; der Tod hat sie gefressen!“
    „Ein Tornado, ein Hurricane?“ fragte der Bärenjäger. „Hat mein roter Bruder den Lauf desselben genau beachtet?“
    „Winnetou berechnet den Lauf des kleinen Käfers, den er erblickt. Wie sollte er vergessen, sich um die Richtung des großen Sturmes zu bekümmern!“
    „Welche Richtung war es?“
    „Gerade im Osten von hier erhob sich der Llano in die Luft, so daß es dort finster wurde wie mitten in der Nacht. Die Sonne umarmte die Finsternis mit Strahlen roten Blutes. Die Nacht rückte schnell nach Nordosten vor, wo Winnetou sie dann verschwinden sah.“
    „So ging der Tornado gerade von Süd nach Nord?“
    „Mein Bruder sagt es.“
    „God bless my soul! Erwird doch nicht unsere Freunde getroffen haben!“
    „Winnetous Ahnungen sind schwarz wie das Angesicht des Sturmes. Unsere Freunde sind klug und erfahren, und Old Shatterhand kennt die Bedeutung jedes Lufthauches; aber der 'ntch-kha-n'gul kommt plötzlich und sendet keinen Boten voraus, welcher ihn verkündet. Kein Pferd ist schnell genug, ihm zu entgehen. Old Shatterhand muß ungefähr heute den Llano erreicht haben, und die Hufe seines Rosses haben den Sand derselben gerade in der Gegend berührt, nach welcher der Geier des Windes flog. Vielleicht liegt er mit seinen Genossen unter den Wogen des Sandes begraben.“
    „Das wäre schrecklich! Wir müssen fort. Wir müssen hin, und zwar augenblicklich! Steigen wir schnell zu Pferde!“
    Winnetou machte eine abwehrende Handbewegung.
    „Mein Bruder mag sich nicht übereilen“, sagte er. „Hat Old Shatterhand sich mitten im Pfad des Sturmes befunden, so ist er tot, und unsere Hilfe kommt zu spät. Befand er sich aber zur Seite dieses Pfades, so blieb er unverletzt, und es droht ihm nur die Gefahr des Verirrens, da der Sturm das Angesicht des Llano so verändert, daß sein Antlitz ein ganz anderes wird. Wir müssen ihm entgegen, aber nicht jetzt bei Nacht,

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