11 - Die Helden des Westens
Juggle-Fred holte sein Pferd und kam zu mir herüber. Sein rechtzeitiges Erscheinen hat mir das Leben gerettet. Von einer Verfolgung des Diebes konnte keine Rede sein, denn ich konnte nicht fort und Fred durfte mich nicht verlassen, denn mein Gesicht mußte Tag und Nacht mit Wasser gekühlt werden. Über eine Woche kampierten wir dort am Timpa-Fork. Ich hatte große Schmerzen auszustehen und eine bedeutende Summe verloren, war aber froh, das Augenlicht gerettet zu haben.“
„Wie nannte sich denn der Mensch gegen Euch?“
„Weller. Aber als wir dann nach Fort Abery kamen und ihn genau beschrieben, erfuhr ich, daß dies ein falscher Name sei. Es war der Stealing-Fox gewesen.“
„So hat er während Eurer Abwesenheit den Pfeifenkopf mit Pulver gefüllt?“
„Ja, und nur oben darauf, um mich zu täuschen, ein wenig Tabak getan. Um Zeit dazu zu bekommen, machte er mir weis, einen Turkey gehört zu haben. Er wußte, daß ich sofort nach demselben suchen werde, da ich ein besserer Jäger war als er. Er war ein langer, hagerer Mensch und hatte Gesichtszüge, die ich nie vergessen werde. Ich weiß, daß ich ihn sofort erkennen werde, falls ich ihm begegnen sollte.“
ACHTES KAPITEL
Im ‚Singenden Tal‘
Die beiden Mexikaner waren der Erzählung Ben New-Moons mit gespannter Aufmerksamkeit gefolgt. Sie hatten sich bedeutungsvoll angesehen, unbemerkt, wie sie meinten; aber es gab einen, der sie genau beobachtet hatte – Winnetou.
Scheinbar den Blick nach einer ganz anderen Richtung gewendet, hatte er sie doch keine Minute lang aus den Augen gelassen. Er sah ihre Blicke und erkannte infolge seines ausgebildeten Scharfsinnes aus denselben, daß sie zu demjenigen, von welchem die Rede war, in irgendeiner Beziehung stehen müßten.
Und Winnetou wurde seinerseits wieder von Baumann, dem Bärenjäger, beobachtet. Dieser kannte seinen roten Freund, welcher ganz plötzlich und unerwartet zu Pferde am Feuer hinter ihnen gehalten hatte. Wie das zugegangen sei, das konnte Baumann sich leicht erklären. Der Apache war von seinem Rekognoszierungsritt zurückgekehrt und hatte seiner Gewohnheit gemäß das Pferd in einiger Entfernung stehenlassen, um sich heranzuschleichen. Wahrscheinlich hatte er sogar aus irgendeinem Umstand geschlossen, daß sich jetzt Fremde hier befanden, und war infolgedessen heimlich herangekommen, um dieselben zu betrachten, bevor er sich von ihnen sehen ließ. Als er sie genügend beobachtet hatte, um sich ein Bild von ihrem Charakter machen zu können, hatte er sich leise entfernt, um nun zu Pferd zurückzukehren und nun zu tun, als ob er noch nichts von ihnen wisse. Während sie alle nach der einen Seite gegangen waren, um die Flämmchen zu sehen, wobei sie natürlich ein solches Geräusch gemacht hatten, daß die Tritte seines Pferdes von ihnen nicht gehört wurden, war er von der entgegengesetzten Seite her zum Lagerplatz gekommen.
Nun saß er da, die Augen scheinbar gleichgültig auf die schimmernde Wasserfläche des Weihers gerichtet; aber Baumann sah deutlich, daß von Zeit zu Zeit unter seinen langen, dichten Wimpern ein scharfer Blick auf die Mexikaner schoß. Der Apache mißtraute ihnen. Das war gewiß.
Der Sohn des Bärenjägers hatte vorhin Kaktusfeigen holen wollen, war aber aus Erstaunen über die wunderbaren Lichtbüschel nicht auf diesem Vorsatz stehengeblieben. Das war den Mexikanern lieb. Sie strebten danach, heimlich einige Worte miteinander sprechen zu können. Das war nur dann möglich, wenn sie sich vom Feuer entfernten. Darum stand Emilio Cortejo jetzt auf und sagte:
„Wir wollten noch Kaktusfrüchte haben; sie sind aber nicht geholt worden. Gehst du mit, Carlos? Wollen sehen, ob wir welche finden.“
„Natürlich gehe ich mit“, antwortete der Gefragte, indem er sich schnell erhob. „Komm!“
Baumann wollte Einspruch erheben. Er erriet, daß die beiden nur die Absicht verfolgten, sich heimlich zu verständigen. Das wollte er vereiteln. Schon schwebte das Wort auf seinen Lippen; da sah er eine gebieterische Handbewegung des Apachen, welche ihm zu schweigen befahl.
Die Brüder entfernten sich. Kaum hatten die Büsche sich hinter ihnen geschlossen, so sagte Winnetou leise:
„Die weißen Männer haben keine ehrlichen Augen, und ihre Gedanken trachten nach Bösem; aber Winnetou wird erfahren, was sie wollen.“
Er huschte nach der entgegengesetzten Seite durch die Büsche.
„Traut auch dieser ihnen nicht?“ fragte Porter. „Ich wette, daß es ehrliche Leute
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