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11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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glänzende Brillantsträhnen über das klare Gewässer dahin. Ein Königsgeier zog hoch oben in der Luft seine Kreise; unten am Ufer naschten mehrere Pferde wie gesättigte Feinschmecker von besonders saftigen Halmen des Delicacygrases, und auf der Spitze einer Zypresse saß die Drossel Mockingbird, lauschte mit schief gehaltenem Köpfchen dem Gesang der Negerin und ahmte, als derselbe zu Ende war, die letzten Worte der Strophe mit einem schallenden „Mittir – mittir – mittir“ nach.
    Über dem Gefieder niedriger Palmen, welche sich im Wasser spiegelten, breiteten hohe Zedern und Sykomoren ihre schützenden Wipfel, unter denen riesige, bunt schillernde Libellen nach Fliegen und anderen kleinen Insekten jagten, und hinter dem nahe am Wasser stehenden Häuschen zankte sich eine Schar von Zwergpapageien um die goldigen Körner des Maises.
    Von außen konnte man nicht sehen, aus welchem Material das Häuschen erbaut worden war, denn sowohl seine vier Seiten als auch das Dach wurden vollständig überdeckt von dem dichten Gerank der weißen, rotfädigen Passionsblume, deren gelbe, süße, dem Hühnerei gleichenden Früchte lebhaft aus der Fülle der gelappten Blätter hervorleuchteten. Das alles machte den Eindruck der Tropen. Man hätte meinen können, sich in einem Tal von Südmexiko oder des mittleren Boliviens zu befinden, und doch lag dieser kleine See mit seiner Passiflorenhütte und seiner südlich-üppigen Vegetation nirgends anderswo als – – – inmitten des gefürchteten Llano estacado. Er war das geheimnisvolle Wasser, von welchem so viele gesprochen hatten, ohne es jemals gesehen zu haben.
    „My herart-leaf, my heart-leaf,
My life und my star,
My hope und my delight,
My sorrow, my care!“
    sang die Schwarze weiter.
    „Mikkehr – mikkehr – mikkehr“, ahmte der Spottvogel die beiden letzten Worte nach.
    Aber die Sängerin achtete nicht auf ihn. Sie hatte die Augen auf eine alte Fotografie gerichtet, welche sie in beiden Händen hielt und zwischen den einzelnen Versen küssend an ihren welken Mund führte.
    Viele, viele Tränen waren auf das Bild gefallen, und ebenso viele Küsse hatten es so verwischt, daß nur ein sehr scharfes Auge noch zu erkennen vermochte, wen oder was das Bild vorgestellt hatte, nämlich eine Negerin mit einem schwarzen Knäbchen im Arm. Der Kopf des letzteren fehlte ganz; er war hinweggeküßt und von den Tränen hinweggewaschen worden.
    „Du sein mein gut, lieb Bob!“ sagte sie in zärtlichem Ton. „Mein Little-Bob, mein Small-Bob. Ich deine Mutter. Missus gut und freundlich gewesen, haben machen lassen Bild, und als Fotograf kommen, haben auch machen lassen Bild von Sanna und ihr klein Bob, dann als Missus sterben, Massa haben verkaufen Bob. O Massa sein ein schlimm Massa! Sanna haben viel geweint, als haben Massa sagen, Massa will verkaufen my dearling – Sanna haben viel bitten um lieb klein Bob, Massa aber sagen: wozu braucht dummes Niggerweib klein Bob – schlimm Massa sein geritten fort auf Pferd und haben mitgenommen my dearling! Mutter Sanna nur noch haben Bild von Bob. Es haben behalten, als selbst verkauft werden; es haben auch behalten, als gut Massa Bloody-Fox sie haben bringen hierher, und es werden behalten ferner, bis alt Sanna sterben und nicht wiedersehen Bob, der wohl sein worden indessen ein groß, stark Nigger und auch nicht haben vergessen sein brav, lieb Mutter Sanna. Oh, my dearling, my dearling, my joy and my –“ Sie hielt inne und erhob lauschend den Kopf, dessen schneeweißes, wolliges Haar seltsam gegen die dunkle Farbe des Gesichtes abstach. Das Geräusch eines Kommenden ließ sich hören. Sie sprang auf, steckte die Fotografie in die Tasche ihres Kalikorockes und rief:
    „O Jessus, Jessus, wie Sanna sich freuen! Fox kommen endlich wieder. Gut Bloody-Fox wieder da. Ihm gleich geben Fleisch und backen Kuchen von Mais!“
    Sie eilte nach dem Häuschen, hatte dasselbe aber noch nicht erreicht, als der Genannte unter den Bäumen erschien. Er sah sehr blaß und ermüdet aus; sein Pferd schwitzte am ganzen Körper und hatte einen müden, stolpernden Gang. Beide mußten ungewöhnlich angegriffen sein.
    „Welcome, Massa!“ empfing ihn die Alte. „Sanna gleich bringen Essen; Sanna schnell machen!“
    „Nein, Sanna“, antwortete er, indem er sich aus dem Sattel schwang. „Fülle die Schläuche, alle, alle! Das ist das Notwendigste, was jetzt geschehen muß.“
    „Warum Schläuche? Für wen? Warum Massa Fox nicht essen? Er doch

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