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11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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folgte ihm sodann, gab aber vorher seinen Leuten einen Wink, welcher sie bedeutete, scharf acht auf die Mexikaner zu haben. Draußen nahm Winnetou ihn beim Arm, führte ihn eine Strecke fort, blieb dann stehen und sagte:
    „Mein Bruder hat mich nicht verstanden. Winnetou lagerte bereits hier, als die Weißen kamen. Er beobachtete sie und erfuhr, daß die beiden Männer Geier des Llano sind. Er stimmt also den Kriegern der Comanchen bei. Aber warum sollen diese giftigen Schlangen erfahren, daß sie durchschaut worden sind? Dann müßten wir sie töten, und es ist doch klüger, wenn wir sie einstweilen noch leben lassen! Sie mögen glauben, daß die Comanchen zum Grabe ihres Häuptlings wollen. Mir aber mag mein Bruder sagen, warum er ihnen gefolgt ist.“
    Der Comanche fühlte sich beschämt. Er antwortete:
    „‚Feuerstern‘, der Häuptling der Comanchen, ritt mit ‚Eisenherz‘, seinem Sohn, nach Osten zu den Wohnungen der Weißen. Sie kehren durch den Llano zurück und werden sich jetzt in demselben befinden. Sie müssen wohl auf den Zug der Weißen stoßen und also von den Geiern angefallen werden. Darum machten wir uns schnell auf, ihnen entgegenzureiten und sie zu beschützen. Wir konnten nicht wissen, wo die Geier sich versammeln. Darum ließen wir die beiden Bleichgesichter, welche zu ihnen gehören, leben, um durch ihre Fährte zu den Geiern geführt zu werden. Am Toyahflusse vereinigte sich ihre Spur mit derjenigen von vier anderen Weißen, welche wir auch für Geier halten mußten. Jetzt treffen wir auf dich. Was gedenkst du zu tun?“
    „Ich werde mit euch reiten, denn auch ich erwarte Freunde, welche durch den Llano kommen und von dem Streich nichts wissen, welchen die Geier beabsichtigen. Diese letzteren haben ihr Lager in der Murding-bowl. Da ich aber nicht weiß, wo dieser Ort sich befindet, so werde ich die beiden Mexikaner entkommen lassen, damit sie, ohne es zu wissen, meine Führer seien.“
    „Wer sind die Männer, welche du erwartest?“
    „Old Shatterhand und noch einige Bleichgesichter, welche mit mir zusammentreffen wollen.“
    „Old Shatterhand, der berühmte Krieger der Weißen? Wenn du erlaubst, werden wir mit dir reiten.“
    „Winnetou erlaubt es nicht nur, sondern er bittet dich sogar darum. Es scheint, daß die stets zerstreute Schar der Geier sich dieses Mal zu einem großen Unternehmen versammelt. Dies muß man benutzen, um sie mit einem einzigen Schlag zu vernichten. Ich denke – – –“
    Er hielt inne, denn innerhalb der Büsche erhob sich ein lautes Schreien und Rufen; einige Schüsse krachten, und eiliger Hufschlag war jenseits des Lagerplatzes zu hören.
    Die beiden sprangen nach dem letzteren hin. Durch die Büsche dringend, erblickten sie eine überaus belebte Szene. Die Comanchen waren zu ihren Pferden geeilt und standen im Begriff, in höchster Eile fortzureiten. Die Mexikaner waren nicht zu sehen. Ben, Porter, Blount und Falser standen da, als ob sie nicht wüßten, was sie unternehmen sollten. Der Bärenjäger aber war mit seinem Sohn ruhig am Feuer sitzen geblieben und rief Winnetou zu:
    „Die Kerls sind fort!“
    „Wie war das möglich?“ fragte der Apache.
    „Sie sprangen so plötzlich fort und auf ihre Pferde, daß sie durch die Büsche waren, ehe man nur nach dem Gewehr langen konnte, um sie niederzuschießen.“
    „Das ist recht! Laßt sie fort! Sie reiten in ihr eigenes Verderben und in dasjenige ihrer Genossen. Die Söhne der Comanchen mögen von den Pferden steigen und hier bleiben. Aber beim Tagesgrauen werden sie das ‚Singende Tal‘ verlassen, um Jagd zu machen auf die menschlichen Raubtiere des Llano estacado!“
    Diese Worte waren so laut gesprochen, daß sie von allen gehört wurden. Doch stiegen die Comanchen erst dann wieder von ihren Pferden, als der Befehl des Apachen von ihrem Anführer wiederholt worden war, welcher ihnen erklärte, weshalb es geraten sei, die Flüchtigen einstweilen entkommen zu lassen. – – –

NEUNTES KAPITEL
    Das Geisternest
     
    „My dearling, my dearling
My love child much dear,
My joy and my smile
My pain and my tear!“
    so klang das alte, liebe Tennessee-Wiegenlied in die stille Morgenluft hinaus. Es schien, als ob die Zweige der nahen Mandel- und Lorbeerbäume sich dazu im Takt neigten, und Hunderte von Kolibris zuckten wie farbige Funken um die alte Negerin, welche ganz allein am Wasser saß.
    Die Sonne hatte sich soeben über den niedrigen Horizont erhoben, und ihre Strahlen strichen wie

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