11 - Die Helden des Westens
ohne eenen Pfennig Geld. Er war von unseren sämtlichen Schuldnern hinaus- und nachher vom Pferd ooch noch abgeworfen worden. Das nennt man des Lebens Unverschtand aus erschter Hand genießen. Sie sehen, daß ich sogar in Jamben erzählen kann! Nich?“
„Ja. Sie sind ein kleines Genie.“
„Das habe ich mir sehr oft selber gesagt, anderen Leuten aber niemals, weil's niemand glooben wollt. Also die Schterne schtrahlten vom Himmel herab, da klopfte es an unsere Tür. Hier im Westen muß man vorsichtig sein; darum machte ich nich sogleich off, sondern ich fragte von innen, wer von außen herein wolle. Um die Sache kurz zu machen, es waren fünf Sioux-Indianer, welche Felle gegen Pulver umtauschen wollten.“
„Sie haben sie doch nicht etwa hereingelassen?“
„Warum nich?“
„Sioux, und mitten in der Nacht!“
„O bitte! Wenn wir eene Uhr gehabt hätten, so wäre es ungefähr halb zwölf gewest. Das war noch nich zu spät. Ich als Westmann weeß sehr gut, daß man nich allemal zur Visitenschtunde am Platz sein kann, und daß die Zeit unter Umschtänden ungeheuer kostbar sein kann. Die Roten sagten, daß sie noch die ganze Nacht hindurch marschieren müßten, und so appellierte mein gutes, sächsisches Herz an mich – ich ließ sie herein.“
„Welch eine Unvorsichtigkeit!“
„Warum? Furcht habe ich nie gekannt, und ehe ich die Tür öffnete, machte ich die Bedingung, daß sie alle Waffen draußen ablegen müßten. Ich muß zu ihrer Ehre geschtehen, daß sie diesem Vorhaben redlich nachgekommen sind. Natürlich aber hatte ich, während ich sie bediente, den Revolver in der Hand, was sie als Wilde mir nich übelnehmen konnten. Ich machte wirklich een brillantes Geschäft mit ihnen: schlechtes Pulver gegen gute Biberfelle. Wenn Rote und Weiße miteenander handeln, so sind die Roten allemal die Betrogenen. Das tut mir zwar leed, aber ich alleene kann's leider nich ändern. Neben der Tür hingen drei geladene Gewehre. Als die Indsmen gingen, blieb der letzte unter der Tür schtehen, drehte sich nochmals um und fragte mich, ob ich nich vielleicht eenen Schluck Feuerwasser zugeben wolle. Nun ist's zwar verboten, den Indianern Branntwein zu verabreichen, aber ich hatte, wie gesagt, eenen guten Profit gemacht und war infolgedessen bereit, ihnen den Gefallen zu tun. Ich wandte mich also um und ging nach der hinteren Ecke, in welcher eene Flasche Brandy schtand. In dem Moment, als ich mich mit derselben umdrehte, sah ich den Menschen mit eenem der Gewehre, welches er vom Pflock gerissen hatte, verschwinden. Natürlich setzte ich schnell die Flasche nieder, ergriff die nächste Büchse und sprang zur Tür hinaus. Selbstverschtändlich trat ich sofort zur Seite, denn im Schein des Lichtes hätte ich unter der Tür das sicherste Ziel geboten. Da ich so schnell aus dem Lichten in das Dunkel gekommen war, konnte ich nich sofort scharf sehen. Ich hörte rasche Schritte, und dann blitzte es drüben an der Fenz hell off. Een Schuß krachte, und ich hatte das Gefühl, als ob jemand mich auf den Fuß geschlagen habe. Jetzt sah ich den Roten, welcher sich über die Fenz schwingen wollte. Ich legte an und drückte ab, fühlte aber zu gleicher Zeit eenen so schtechenden Schmerz im Fuß, daß ich zusammenknickte. Die Kugel ging fehl, und das Gewehr war verloren. Nur mit Mühe kam ich in die Hütte zurück. Der Schuß des Indianers war mir in den linken Fuß gegangen. War es wegen der Dunkelheet oder weil der Sioux een fremdes Gewehr gehabt hatte, ich kann heut noch nich begreifen, wie er diesen Blasrohrschuß hat tun können. Erscht nach Monaten habe ich den Fuß wieder gebrauchen können, aber der Hobble-Frank bin ich geworden. Den Roten aber habe ich mir genau gemerkt. Ich werde sein Gesicht niemals vergessen, und wehe ihm, wenn er mir irgendwo und irgendwann begegnen sollte! Wir Sachsen sind als die urgemütlichsten Germanen bekannt, aber unsere nationalen Vorzüge können uns doch nimmermehr verpflichten, uns nächtlicher Weile, wenn die Schterne vom Himmel schtrahlen, ungeschtraft beschtehlen und lahm schießen zu lassen. Ich glaube, der Sioux gehörte zu den Ogellallah, und wenn – – – Was haben Sie denn?“
Er unterbrach sich mit dieser Frage, denn der dicke Jemmy hatte sein Pferd angehalten und einen Ruf der Überraschung ausgestoßen. Sie hatten die größte Breite der sandigen Einsenkung hinter sich. Hier gab es eine Stelle mit felsigem Boden, und da, wo dieselbe wieder in den Sand verlief, war Jemmy
Weitere Kostenlose Bücher