11 - Die Helden des Westens
ausgeworfen und unten am Grund vollständig eben. Das Tier hat also nicht Zehen oder Krallen, sondern Hufe gehabt.“
„Also ein Pferd?“ meinte Frank.
„Hm!“ brummte Jemmy. „Ein Pferd kann's aber auch nicht gewesen sein. Man müßte da doch wenigstens eine kleine Andeutung der Hufeisen oder, falls das Tier barfüßig gewesen wäre, des Tragrandes und des Strahles finden. Die Fährte ist im höchsten Fall zwei Stunden alt, eine zu kurze Zeit, als daß sich während derselben diese Andeutung hätte verlieren können. Und, was die Hauptsache ist, kann es jemals ein Pferd mit so außerordentlich großen Hufen geben? Wenn wir in Asien oder Afrika wären und nicht in dieser alten, gemütlichen Savanne, so würde ich behaupten, daß ein Elefantengroßvater hier vorübergestampft sei.“
„Ja, gerade so sieht es aus!“ lachte der lange Davy.
„Was? Gerade so sähe es aus?“ fragte Jemmy.
„Ja freilich! Du hast's ja selbst auch gesagt!“
„So laß dir nur dein Lehrgeld wiedergeben! Hast du schon einmal einen Elefanten gesehen?“
„Zwei sogar.“
„Wo?“
„In Philadelphia bei Barnum und jetzt hier, nämlich dich, Dicker!“
„Wenn du einen Witz machen willst, so kaufe dir für zehn Dollar einen besseren, verstanden! Diese Fährte soll einer Elefantenspur ähnlich sehen? Groß genüg wären die Stapfen; das gebe ich ja zu; aber ein Elefant würde eine ganz andere Schrittweise haben. Daran hast du nicht gedacht, Davy. Ein Kamel ist's auch nicht gewesen, sonst würde ich behaupten, du seist vor zwei Stunden hier vorbeigestiegen. Und nun will ich gestehen, daß ich mit meiner Weisheit zu Ende bin.“
Die Männer gingen eine Strecke vorwärts und auch wieder zurück, um die wunderbare Fährte ja genau zu betrachten; aber keiner von ihnen konnte eine nur halbwegs glaubhafte Ansicht äußern.
„Was sagt mein roter Bruder dazu?“ fragte Jemmy.
„Maho akono!“ antwortete der Indianer, indem er mit der Hand eine Bewegung der Ehrfurcht machte.
„Der Geist der Prärie, meinst du?“
„Ja, denn es ist weder ein Mensch noch ein Tier gewesen.“
„Heigh-ho! Eure Geister scheinen entsetzlich große Füße zu haben. Oder leidet der Geist der Prärie auch einmal am Fußrheumatismus und hat Filzschuhe angezogen?“
„Mein weißer Bruder sollte nicht spotten. Der Geist der Prärie kann in allen Gestalten erscheinen. Wir müssen seine Spur mit Ehrfurcht betrachten und wollen still weiterreiten.“
„Nein, das werde ich nicht tun. Ich muß unbedingt wissen, woran ich bin. Ich habe noch niemals eine solche Fährte gesehen und werde ihr also folgen, bis ich weiß, wer sie hinterlassen hat.“
„Mein Bruder wird ins Verderben laufen. Der Geist duldet es nicht, daß man nach ihm forscht.“
„Madneß! Wenn später der dicke Jemmy von dieser Fährte erzählt und nicht sagen kann, von wem sie stammt, so wird er ausgelacht oder gar für einen Lügner erklärt. Für einen guten Westmann ist es geradezu Ehrensache, dies Geheimnis aufzuklären.“
„Wir haben nicht Zeit, solche Umwege zu machen.“
„Das verlange ich auch nicht von Euch. Wir haben noch vier Stunden bis zum Abend; dann müssen wir lagern. Kennt mein roter Bruder vielleicht den Ort, an welchem wir Rast machen werden?“
„Ja. Wenn wir geradeaus reiten, so kommen wir an eine Stelle, an welcher die Höhe dort eine Öffnung hat. Es schneidet ein Tal in dieselbe ein, in welches zur linken Hand, wenn man eine Stunde lang geritten ist, eine Seitenschlucht mündet. In dieser werden wir ruhen, denn dort gibt es Büsche und Bäume, die unser Feuer unsichtbar machen, und auch einen Quell, welcher uns Wasser liefern wird für uns und unsere Tiere.“
„Das ist sehr leicht zu finden. Reitet also weiter! Ich werde dieser Fährte folgen und sodann am Lagerplatz wieder zu euch stoßen.“
„Mein weißer Bruder mag sich warnen lassen!“
„Ach was!“ rief der lange Davy. „Hier ist eine Warnung ganz am unrechten Platz; Jemmy hat vollständig recht. Es wäre eine Schande für uns, diese geradezu unbegreifliche Fährte entdeckt zu haben, ohne zu erforschen, wem dieselbe zuzuschreiben ist. Man sagt, daß es vor der Erschaffung der Erde Tiere gegeben habe, gegen welche ein Büffel sich ausnehmen würde wie ein Regenwurm neben einem Mississippidampfer. Vielleicht ist so ein Untier von damals übriggeblieben und rennt nun hier im Sand herum, um an den Körnern auszuzählen, wie viele Jahrhunderte alt es ist. Ich glaube, Mamma heißt so ein
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