11 - Die Helden des Westens
südwärts, am Fuß des Höhenzuges hin, links von sich die Bodensenkung des einstigen Sees.
„Hat mein Bruder bereits einen Plan zur Befreiung der beiden Weißen erdacht?“ fragte Shatterhand.
„Winnetou braucht keinen Plan; er wird zu den Schoschonen zurückkehren und ihnen die Gefangenen entführen. So denkt er. Diese Schlangenindianer sind gar nicht wert, daß Winnetou ihretwegen über einen Plan nachdenkt. Old Shatterhand hat ja den Beweis erhalten, daß sie kein Hirn in ihren Köpfen haben.“
Shatterhand wußte sogleich, was er meine.
„Ja“, sagte er. „Keiner von ihnen hat daran gedacht, daß die weißen Jäger sich nicht allein hier befinden. Wäre ihnen dieser Gedanke gekommen, so hätten sie jedenfalls einige Kundschafter ausgesandt. Wir haben es also mit Leuten zu tun, deren Klugheit wir gar nicht sehr zu fürchten brauchen. Wäre Tokvi-tey, der Häuptling, in eigener Person bei dieser Abteilung gewesen, so hätten wir ganz sicher jetzt einige Kundschafter vor uns reiten.“
„Sie würden nichts finden, denn Winnetou und Old Shatterhand würden die Augen dieser Männer auf sich ziehen und sie irreleiten.“
Jetzt hatten sie die Stelle erreicht, an welcher die Talschlucht in fast gerader westlicher Richtung in die Höhe schnitt. Dort fanden sie die Spuren der Gesuchten, doch war es bereits so dunkel, daß die Eindrücke nicht mehr genau erkannt werden konnten. Sie bogen nach rechts ab, der Fährte nach.
Die Schlucht war ziemlich breit und auch leicht gangbar. Die beiden Reiter kamen trotz der Dunkelheit schnell vorwärts. Da ihre Pferde barfuß waren, machten die Huftritte derselben so wenig Geräusch, daß dies nur ganz in der Nähe gehört werden konnte.
Da schien es, als ob eine Seitenschlucht sich links abzweige. Die beiden hielten an. Die Schlucht war eng. Konnte es diejenige sein, in welcher die gesuchten vier Personen ihr Lager hatten errichten wollen?
Als sie so still da hielten, scharrte Winnetous Pferd leise den Boden und ließ jenes bezeichnende Schnauben vernehmen, welches stets ein Zeichen ist, daß das Tier etwas Fremdes, vielleicht gar Feindseliges wittert.
„Wir sind auf dem richtigen Weg“, meinte der Weiße. „Reiten wir links ab. Das Pferd will uns sagen, daß da drin sich jemand befindet.“
Sie mochten ungefähr zehn Minuten langsam vorwärts geritten sein, da machte die Schlucht eine Wendung, und dann, als sie die Krümmung hinter sich hatten, erblickten sie ein Feuer, welches in einer Entfernung von vielleicht hundert Schritts vor ihnen brannte. Die Schlucht hatte sich da erweitert und bildete eine von Bäumen bestandene Ausbuchtung, in deren Mitte ein Quell aus dem Boden drang, um sein weniges Wasser aber bald wieder im sandigen Grund verlaufen zu lassen.
Am Quell traten die Bäume zurück, so daß ein kleiner freier Platz gebildet wurde, auf welchem das Feuer brannte. Die beiden sahen drei Personen an demselben sitzen, deren Gesichtszüge sie wegen der beträchtlichen Entfernung aber nicht zu erkennen vermochten.
„Was meint mein Bruder?“ fragte Winnetou. „Werden es die richtigen sein?“
„Es sind nur drei; wir aber suchen vier. Bevor wir unsere Gegenwart merken lassen, wollen wir einmal sehen, wen wir vor uns haben.“
Er stieg ab, und Winnetou tat dasselbe.
„Es genügt, wenn ich allein hingehe“, sagte Shatterhand.
„Gut! Winnetou wird warten.“
Er nahm die Pferde bei den Zügeln und trat mit ihnen möglichst weit zur Seite, da, wo die Felswand ein weiteres Zurückziehen unmöglich machte. Old Shatterhand huschte vorsichtig vorwärts bis unter die Bäume und schlich sich von Stamm zu Stamm weiter, bis er sich hinter dem letzten der Bäume niederlegte und nun die drei in aller Gemütlichkeit beobachten konnte. Sogar die Worte konnte er verstehen, welche sie miteinander sprachen.
Es war der lange Davy mit Wohkadeh und Martin Baumann. Bob, der Neger, war nicht da. Der gute Schwarze war mit wahrer Begeisterung für den abenteuerlichen Ritt eingenommen. Er fühlte sich als Ritter der Prärie und war überaus beflissen, sich ganz genau als solcher zu verhalten. Darum war er, nachdem er gegessen hatte, vom Feuer aufgestanden und hatte erklärt, daß er für die Sicherheit seines jungen ‚Massas‘ und der anderen beiden ‚Massers‘ wachen werde. Davy hatte ihm vergebens erklärt, daß dies jetzt und hier gar nicht nötig sei.
Anstatt nun den Eingang der Schlucht, woher allem Ermessen nach jede etwaige Gefahr kommen mußte, zu bewachen, war
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