11 - Die Helden des Westens
antwortete:
„Tokvi-tey kann nicht mehr leben. Er wünscht zu sterben. Binde ihn getrost an den Marterpfahl. Er darf zwar nicht von den Taten sprechen, welche seinen Ruhm verbreitet haben, aber er wird trotz aller Todesqualen nicht mit der Wimper zucken.“
„Ich werde dich nicht an den Todespfahl binden. Ich bin ein Christ. Selbst wenn ich ein Tier töten muß, töte ich es in der Weise, daß es keine Qualen zu erdulden hat. Aber du würdest nutzlos sterben. Ich würde trotz deines Todes die Gefangenen aus den Händen der Deinigen befreien.“
„Versuche es! Mich konntest du beschleichen, durch einen hinterlistigen Griff betäuben und im Dunkel der Nacht fortschleppen. Jetzt sind die Krieger der Schoschonen gewarnt. Es wird dir unmöglich sein, die Bleichgesichter zu befreien. Sie haben es gewagt, am See des Blutes zu erscheinen, und werden dies mit einem langsamen Tod büßen müssen. Hast du den ‚Schwarzen Hirsch‘ besiegt, so wird er sterben; aber es lebt Moh-aw, sein einziger Sohn, der Stolz seiner Seele, welcher ihn rächen wird. Bereits schon jetzt hat Moh-aw sich das Gesicht mit den Farben des Krieges bestrichen, denn er war dazu bestimmt, den Streich des Todes gegen die gefangenen Bleichgesichter zu führen. Er wird seinen Leib mit ihrem warmen Blut bemalen und dann geschützt sein gegen alle Feindschaft der Bleichgesichter.“
Da raschelte es in dem Gestrüpp. Martin Baumann kam, beugte sich an Old Shatterhands Ohr und flüsterte ihm zu:
„Sir, ich soll Euch sagen, daß der gefangene Wachtposten der Sohn des Häuptlings ist. Winnetou hat es ihm entlockt.“
Diese Kunde kam dem Jäger außerordentlich gelegen. Er antwortete ebenso leise:
„Winnetou mag mir ihn augenblicklich schicken.“
„Auf welche Weise? Der Rote ist gefesselt und kann nicht laufen.“
„Der lange Davy mag ihn tragen und dann hier bei ihm sitzen bleiben.“
Martin entfernte sich. Old Shatterhand wendete sich wieder an den Indianer, indem er antwortete:
„Ich fürchte den ‚Moskito‘ nicht. Seit wann trägt er einen Namen, und wo hörte man von seinen Taten? Ich brauche nur zu wollen, so nehme ich ihn ebenso gefangen wie dich selbst.“
Dieses Mal konnte er sich doch nicht ganz beherrschen. Es war verächtlich von seinem Sohn gesprochen worden. Seine Brauen zogen sich zusammen; seine Augen leuchteten, und er sagte in zornigem Ton:
„Wer bist du, daß du in dieser Weise von Moh-aw zu reden wagst? Versuche mit ihm zu kämpfen, so wirst du bereits vor seinem Blick dich in die Erde verkriechen!“
„Pshaw! Ich kämpfe nicht mit Kindern!“
„Moh-aw ist kein Kind, kein Knabe! Er hat mit den Sioux-Ogellallah gekämpft und ihrer mehrere bezwungen. Er hat die Augen des Adlers und das Gehör der Nachtvögel. Kein Feind vermag ihn zu überraschen, und er wird den ‚Schwarzen Hirsch‘, seinen Vater, blutig rächen an den Vätern und Söhnen der Bleichgesichter!“
Da kam der lange Davy herbeigeschritten, auf seiner Achsel den jungen Indianer. Er stieg mit seinen ewigen Beinen gleich über das dichteste Gestrüpp, legte den Indianer zur Erde nieder und sagte:
„Da bring' ich den Buben. Soll ich ihm den Rücken bleuen, damit er es sich merke, daß mit Männern nicht zu spaßen sei?“
„Vom Schlagen ist keine Rede, Master Davy. Setzt ihn aufrecht und nehmt Platz neben ihm. Auch den Knebel könnt Ihr wieder entfernen. Er ist nicht mehr nötig, denn hier wird gesprochen.“
„Ay, Sir! Ich möchte aber wissen, was der Knabe hier vorbringen könnte.“
Der Lange gehorchte. Als der ‚Moskito‘ aufrecht saß, blickten die beiden Schoschonen sich erschrocken in die Augen. Der Häuptling sagte nichts und bewegte sich nicht; aber trotz seiner dunklen Hautfarbe war zu sehen, daß ihm das Blut aus dem Gesicht gewichen war. Der Sohn vermochte nicht, sich so zu beherrschen.
„Uff!“ rief er aus. „Auch Tokvi-tey ist gefangen! Das wird ein Heulen geben in den Wigwams der Schoschonen. Der große Geist hat sein Angesicht verhüllt vor seinen Kindern.“
„Schweig!“ donnerte ihn sein Vater an. „Keine Squaw der Schoschonen wird eine Träne weinen, wenn Tokvi-tey und Moh-aw von den Nebeln des Todes verschlungen werden. Sie haben ihre Augen und Ohren verschlossen gehabt und sind ohne Hirn gewesen wie die Kröte, welche sich ohne Gegenwehr von der Schlange verschlingen läßt. Schande über den Vater und Schande über den Sohn! Kein Mund wird von ihnen sprechen, und keine Kunde wird über sie zu hören sein. Aber mit dem
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