11 - Nie sollst Du vergessen
nur ein Fahrzeug im Spiel gewesen war. Somit stehe fest, dass der flüchtige Fahrer ein Mörder und der Tod Eugenie Davies' kein Unfall, sondern Mord war.
»Das ist ja furchtbar!« Jill bot Richard Davies ihre Hand, aber er nahm sie nicht. Er schien sich wie betäubt in eine finstere Innenwelt zu verkriechen, wo keiner ihn erreichen konnte.
»Aber man hat mir mit keinem Wort angedeutet ...«, sagte er, den Blick starr ins Leere gerichtet. »O Gott, kann es denn noch schlimmer werden?« Dann sah er Lynley an. »Ich muss es meinem Sohn sagen. Sie werden doch gestatten, dass ich es ihm sage? Es geht ihm seit einigen Monaten nicht besonders gut. Er kann nicht spielen. Dieses Unglück könnte ihn ... Bitte gestatten Sie mir, es ihm selbst zu sagen, damit er es nicht von anderer Seite erfahren muss. Aus den Zeitungen, womöglich! Man wird es doch nicht der Presse mitteilen, bevor Gideon informiert wurde?«
»Das ist Sache der Pressestelle«, erwiderte Lynley. »Aber im Allgemeinen hält man dort derartige Informationen zurück, bis die Familie unterrichtet ist. Dabei können Sie uns helfen. Gibt es außer Gideon Angehörige?«
»Eugenies Brüder, aber ich habe keine Ahnung, wo die sich aufhalten. Ihre Eltern haben vor zwanzig Jahren noch gelebt, aber sie können inzwischen längst gestorben sein. Frank und Lesley Staines. Frank war anglikanischer Geistlicher - da könnten Sie vielleicht bei der Kirche nachfragen.«
»Und die Brüder?«
»Einer jünger, einer älter als sie. Douglas und Ian. Auch von ihnen weiß ich nichts. Als ich Eugenie kennen lernte, hatte sie ihre Eltern und ihre Brüder schon jahrelang nicht mehr gesehen und sie hat sie auch in der Zeit unserer Ehe nicht einmal getroffen.«
»Wir werden versuchen, sie ausfindig zu machen.« Lynley griff zu seiner Tasse, in der schlaff und braun der durchweichte Teebeutel hing. Er nahm ihn heraus und gab ein paar Tropfen Milch in die Tasse, bevor er trank. Dann sagte er: »Und Sie, Mr. Davies? Wann haben Sie Ihre geschiedene Frau das letzte Mal gesehen?«
»Bei unserer Scheidung. Das ist vielleicht ... hm, sechs Jahre? ... her. Wir mussten die Scheidungspapiere unterschreiben, und da sind wir uns noch einmal begegnet.«
»Und danach nicht mehr?«
»Nein. Ich habe allerdings in jüngster Zeit verschiedentlich mit ihr telefoniert.«
Lynley stellte seine Tasse ab. »Wann war das?«
»Sie hat regelmäßig angerufen, um sich nach Gideons Befinden zu erkundigen. Sie hatte erfahren, dass es ihm nicht gut ging. Das muss so -« Er wandte sich Jill Foster zu. »Wann war dieses katastrophale Konzert, Schatz?«
Jill Foster sah ihn mit so unbewegtem Blick an, dass klar war, dass er genau wusste, wann das Konzert stattgefunden hatte. »War es nicht am dreißigsten Juli?«, sagte sie.
»Ja, das scheint mir richtig zu sein.« Und zu Lynley: »Eugenie hat wenig später angerufen. Ich weiß nicht mehr genau, wann es war. Vielleicht so um den fünfzehnten August. Danach hat sie Verbindung gehalten.«
»Und wann haben Sie das letzte Mal mit ihr gesprochen?«
»Irgendwann letzte Woche? Ich kann es nicht genau sagen. Ich habe es mir nicht aufgeschrieben. Sie rief hier an und hinterließ eine Nachricht. Ich habe sie dann zurückgerufen. Viel konnte ich ihr nicht sagen, das Gespräch war daher kurz. Gideon - und ich wäre sehr dankbar, wenn das unter uns bleiben würde, Inspector - leidet an akutem Lampenfieber. Wir haben bisher behauptet, es handle sich um Erschöpfung, aber das ist ein Euphemismus. Eugenie ließ sich davon nicht täuschen, und ich bezweifle, dass die Öffentlichkeit es noch lange akzeptieren wird.«
»Aber sie hat Ihren Sohn nicht besucht? Hat sie mit ihm Kontakt aufgenommen?«
»Wenn ja, dann hat Gideon mir nichts davon gesagt. Was mich sehr wundern würde. Mein Sohn und ich habe eine sehr enge Beziehung, Inspector.«
Jill Foster senkte den Blick. Lynley hielt es für möglich, dass die enge Beziehung, von der Davies gesprochen hatte, eine einseitige Angelegenheit war. Er sagte: »Ihre geschiedene Frau hatte offenbar die Absicht, einen Bekannten in Hampstead zu besuchen. Sie hatte seine Adresse bei sich. Er heißt J. W. Pitchley, aber Sie kennen ihn vielleicht unter seinem früheren Namen - James Pitchford.«
Davies, der bisher liebevoll die Füße seiner Lebensgefährtin gestreichelt hatte, erstarrte.
»Sie erinnern sich an ihn?«, fragte Lynley.
»Ja, ich erinnere mich an ihn. Aber -« Zu Jill Foster gewandt:
»Willst du dich nicht doch lieber
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