11 - Nie sollst Du vergessen
jemanden wie mich hingegen ...« Sie klopfte die Asche ihrer Zigarette am Rand eines Keramikaschenbechers ab, der die Form eines Kürbisses hatte. »Um in einer Wäscherei zu arbeiten, braucht man nun wirklich kein Auto. Man braucht lediglich eine hohe Toleranz für Langeweile und brütende Hitze.«
»Es ist also nicht Ihr Wagen?«
Yasmin ging durch das Zimmer und setzte sich neben Katja Wolff auf das Sofa. Nachdem sie ein paar Illustrierte und Boulevardzeitungen auf dem Couchtisch mit den schmiedeeisernen Beinen zu ordentlichen Häufchen zusammengeschoben hatte, legte sie Katja ihre Hand aufs Knie und sah Nkata ruhig an.
»Was wollen Sie von uns, Mann?«, fragte sie. »Entweder Sie kommen endlich zur Sache, oder Sie verschwinden.«
»Haben Sie ein Auto, Mrs. Edwards?«, fragte Nkata.
»Und wenn?«
»Würd ich's mir gern anschauen.«
»Warum?«, fragte Katja. »Mit wem wollen Sie eigentlich sprechen, Constable?«
»Darauf kommen wir noch früh genug«, erwiderte Nkata. »Wo ist der Wagen?«
Die beiden Frauen blieben einen Moment reglos sitzen, während Wasserrauschen aus dem Badezimmer darauf schließen ließ, dass Daniel nun die gewaschenen Perücken zu spülen begann. Katja Wolff brach schließlich das Schweigen, und sie tat es mit einer Selbstsicherheit, die zeigte, dass sie die vergangenen zwanzig Jahre genutzt hatte, um sich über ihre Rechte gegenüber der Polizei genauestens zu informieren.
»Haben Sie eine richterliche Verfügung? Für irgendetwas?«
»Ich dachte nicht, dass ich eine brauchen würde. Ich hatte eigentlich nur ein Gespräch im Sinn.«
»Ein Gespräch über Yasmins Auto?«
»Aha! Es ist also Mrs. Edwards' Auto! Wo steht es?« Nkata bemühte sich, keinen Triumph zu zeigen. Katja Wolff errötete dennoch, vielleicht weil sie erkannte, dass sie sich in ihrer Abneigung und ihrem Misstrauen gegenüber Nkata selbst ein Bein gestellt hatte.
»Was, zum Teufel, soll das alles, Mann?«, fuhr Yasmin ihn an, aber ihre Stimme war beinahe schrill, und die Hand auf Katja Wolffs Knie verkrampfte sich. »Sie brauchen eine richterliche Verfügung, wenn Sie mein Auto filzen wollen!«
Nkata entgegnete: »Ich will es nicht filzen, Mrs. Edwards, nur anschauen.«
Die Frauen tauschten einen kurzen Blick, dann stand Katja Wolff auf und ging in die Küche. Türen wurden geöffnet und zugeschlagen, ein Wasserkessel knallte klirrend auf einen Gasring, eine Flamme zischte.
Yasmin blieb sitzen. Es war, als wartete sie auf ein Zeichen aus der Küche. Als sie keines erhielt, stand sie auf und nahm von einem Haken neben der Wohnungstür einen Schlüssel.
»Dann kommen Sie«, sagte sie zu Nkata, und trotz der Witterung ging sie ohne Mantel voraus ins Freie. Katja Wolff blieb in der Wohnung zurück.
Mit langen Schritten, scheinbar ohne Rücksicht darauf, ob der Polizeibeamte ihr folgte oder nicht, eilte sie zum Aufzug. Bei jeder Bewegung klimperten die perlendurchwirkten langen Zöpfe, die ihr über die Schultern reichten. Es war eine Musik, die hypnotisierte, und Nkata konnte sich die Wirkung, die sie auf ihn hatte, nicht erklären. Zuerst spürte er die Reaktion im Hals, dann hinter den Augen und schließlich in der Brust. Er schüttelte sich, wehrte sich dagegen, indem er zum Parkplatz hinunterschaute, dann zur anderen Straßenseite hinüber, wo eine Heimgartenanlage zu sein schien, schließlich die Manor Place entlang, deren Häuser größtenteils leer und verwahrlost waren.
Im Aufzug sagte er: »Sind Sie hier aufgewachsen?«
Sie durchbohrte ihn mit steinernem Blick, ohne ein Wort zu sagen, bis er schließlich wegsah und sein Blick auf die Worte »Fick mich, bis die Heide wackelt« fiel, die jemand an die Aufzugswand geschmiert hatte. Ihm fiel sofort seine Mutter ein; die hätte so eine obszöne Schmiererei in ihrem Umfeld so wenig geduldet wie Schimpfworte. Sie wäre wie der Blitz mit dem Nagellackentferner angeruckt, um den Satz zu löschen, noch ehe er richtig trocken gewesen wäre. Als er sie sich in ihrer Entrüstung vorstellte, seine Mutter, die es geschafft hatte, in einer Gesellschaft, die zuerst die Hautfarbe wahrnahm und dann erst den Menschen, ihre Würde zu bewahren, musste Nkata lächeln.
Yasmin sagte: »Sie mögen's, wenn die Frauen vor Ihnen kuschen müssen, hm? Sind Sie deshalb zu den Bullen gegangen?«
Er hätte ihr gern gesagt, sie solle dieses höhnische Grinsen lassen, nicht weil es ihr Gesicht entstellte und die Narbe an ihrer Lippe in die Breite zog, sondern weil sie so verängstigt
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