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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sie, die Kosmetika, die zu ordnen sie sich solche Mühe gemacht hatte, in den großen Metallkoffer zurückzuwerfen.
    »Ich glaube nicht, dass Katja zu Hause war, Mrs. Edwards«, sagte Nkata. »Jedenfalls nicht zu dem Zeitpunkt, als diese Frau überfahren wurde. Das war irgendwann zwischen zweiundzwanzig Uhr und Mitternacht. Und ich denke, dass Katja Wolff genau um diese Zeit nicht bei Ihnen in der Wohnung war. Wie lange sie weg war, weiß ich nicht, vielleicht zwei Stunden oder drei, vielleicht auch vier oder sogar die ganze Nacht. Aber sie war weg, richtig? Und ebenso der Wagen.«
    Sie antwortete nicht. Sie sah ihn nicht an. Sie tat, als wäre er gar nicht da, obwohl sie, nur durch den Verkaufstisch von ihm getrennt, beinahe seinen Atem fühlen konnte. Aber sie war entschlossen, sich von seiner Anwesenheit - und seinen Worten - nicht beeindrucken zu lassen. Trotzdem hatte sie rasendes Herzklopfen und sah nur Katjas Gesicht vor sich. Dieses Gesicht, das sie während der Selbstmordwache in der ersten Zeit nach ihrer Überführung nicht aus den Augen gelassen hatte; das sie beim gemeinschaftlichen Hofgang und beim Essen unverwandt beobachtet hatte; das schließlich - obwohl sie sich es niemals auch nur hätte träumen lassen, dass sie das wünschen würde - in der Dunkelheit über dem ihren schwebte. Verrat mir deine Geheimnisse. Dann verrat ich dir meine.
    Sie wusste, warum Katja im Gefängnis war. Alle wussten es, auch wenn Katja selbst nie darüber gesprochen hatte. Was damals in Kensington geschehen war, gehörte nicht zu den Geheimnissen, die Katja Wolff preisgegeben hatte, und als Yasmin ein einziges Mal nach dem Verbrechen gefragt hatte, dessentwegen Katja so tief verabscheut wurde, dass sie jahrelang Vergeltungsmaßnahmen der anderen Frauen fürchten musste, hatte Katja gesagt:
    »Glaubst du wirklich, ich würde ein Kind töten, Yasmin?«, und sich von Yasmin abgewandt.
    Niemand wusste, wie es war, im Gefängnis zu sein, wo man sich nur für das eine oder das andere entscheiden konnte: Allein zu bleiben, trotz der Gefahren, die das mit sich brachte, oder den Schutz durch die Gemeinschaft zu suchen, indem man eine Gefährtin, Partnerin und Liebhaberin wählte - oder sich als solche wählen ließ. Allein zu bleiben hieß Isolation in der Isolation, und an der trostlosen Einsamkeit dieser Situation konnte eine Frau zerbrechen, sodass sie, endlich wieder auf freiem Fuß, zu nichts mehr taugte.
    Yasmin hatte ihre Zweifel verdrängt und geglaubt, dass Katjas Worte bedeuteten: Katja Wolff war keine Kindermörderin; sie war überhaupt keine Mörderin.
    »Mrs. Edwards«, sagte Constable Nkata in diesem freundlichen, Vertrauen erweckenden Ton, mit dem die Bullen stets versuchten, den Fuß in die Tür zu kriegen, bevor sie merkten, dass er nicht so wirkte, wie sie es sich wünschten. »Ich verstehe Ihre Situation. Sie waren lange Zeit mit ihr zusammen und konnten sich auf ihre Loyalität verlassen, als Sie im Gefängnis waren, und Loyalität ist eine gute Sache. Aber wenn ein Mensch ums Leben gekommen ist und ein anderer lügt -«
    »Was wissen Sie schon von Loyalität?«, fuhr sie ihn an. »Was wissen Sie überhaupt, Mann? Sie führen sich hier auf, als wären Sie Gott persönlich, nur weil Sie Glück hatten und einen anderen Weg gegangen sind als wir anderen. Vom wahren Leben haben Sie doch keine Ahnung! Sie gehen immer auf Nummer sicher, aber lebendig macht Sie das nicht.«
    Er betrachtete sie ruhig, und es schien, als könnte nichts, was sie sagte oder tat, diese innere Gelassenheit und Sicherheit stören. Sie hasste ihn für diese Ruhe, die er ausstrahlte, weil sie wusste, dass sie aus seinem tiefsten Inneren kam.
    »Katja war zu Hause«, erklärte sie kurz und zornig. »Und jetzt hauen Sie endlich ab. Ich hab eine Menge Arbeit.«
    Er sagte: »Was glauben Sie, wo sie an den Tagen war, an denen sie sich in der Wäscherei krankgemeldet hat, Mrs. Edwards?«
    »Sie hat sich nicht krankgemeldet. Sie hat überhaupt nicht mit der Wäscherei telefoniert.«
    »Hat sie Ihnen das gesagt?«
    »Sie musste es mir gar nicht sagen.«
    »Dann fragen Sie sie doch lieber mal. Und beobachten Sie ihre Augen, wenn sie Ihnen die Antwort gibt. Wenn sie Sie fixiert, lügt sie wahrscheinlich. Wenn sie Ihrem Blick ausweicht, lügt sie wahrscheinlich auch. Nach zwanzig Jahren im Knast hat sie bestimmt Übung im Lügen. Wenn sie also auf Ihre Fragen einfach mit dem weitermacht, was sie gerade tut, kann man davon ausgehen, dass sie ebenfalls

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