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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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allein um Sünden der Vergangenheit gegangen, die sie beichten wollte, um unbelastet ein neues Kapitel aufschlagen zu können.«
    »Hätte ihr so etwas ähnlich gesehen?«
    »O ja«, bestätigte Webberly leise, »es wäre typisch gewesen.«
    Sie war nicht im katholischen Glauben erzogen worden, aber sie hatte ihn gelebt, in dem tiefen und machtvollen Bewusstsein der Katholikin von Schuld und Sühne. Dieser Glaube hatte ihre Lebensführung bestimmt und zweifellos auch ihre Einstellung zur Zukunft, davon war Webberly überzeugt.
    Als er einen sanften Druck am Ellbogen spürte, wandte er sich um und sah, dass Alfie sich von seinem zerschlissenen alten Polster am Herd hochgerappelt hatte und zu ihm gekommen war. Vielleicht spürte er, dass sein Herr Trost brauchte, vielleicht wollte er ihn auch nur an den abendlichen Spaziergang erinnern.
    Getrieben vom schlechten Gewissen, da er die letzten achtundvierzig Stunden unablässig mit seinen Gedanken und Gefühlen bei einer anderen Frau gewesen war, ging Webberly nach oben, um nach Frances zu sehen. Sie lag sachte schnarchend im gemeinsamen Doppelbett, und er blieb einen Augenblick stehen und sah sie an. Der Schlaf hatte die Spuren von Unsicherheit und Angst in ihrem Gesicht verwischt, sodass es zwar nicht wieder jung aussah, aber einen Zug kindlicher Verletzlichkeit zeigte, dessen Wirkung er sich nie entziehen konnte. Wie oft in den vergangenen Jahren hatte er so dagestanden und seine schlafende Frau angesehen und sich gefragt, wie sie zu diesem Punkt gekommen waren? Wie sie so lange einfach vor sich hingelebt hatten, von Tag zu Tag, über Wochen und Monate, und nicht einmal zu verstehen versucht hatten, welche innere Sehnsucht jeden von ihnen in eine stumme Verzweiflung trieb, wenn er allein war. Aber um seine Antwort zu bekommen, brauchte er nur zum Fenster zu blicken, das hinter fest zugezogenen Vorhängen verriegelt war, und zu dem Holzkeil auf dem Boden, der an Abenden, wenn er nicht zu Hause war, sicherheitshalber eingeschoben wurde.
    Sie hatten beide von Beginn an Angst gehabt. Frans Ängste hatten lediglich eine Form angenommen, die einem Außenstehenden leichter erkennbar waren. Ihre Ängste hatten ihn ständig gefordert, ein stummes, aber darum nicht weniger beredtes Flehen um seine Treue und Beständigkeit. Und seine eigenen Ängste hatten ihn an sie gebunden, diese schreckliche Angst davor, sich weiterentwickeln zu müssen, über das hinaus, was er bisher gelebt hatte.
    Ein leises Winseln am Fuß der Treppe riss ihn aus seinen Gedanken. Er zog die Decke über die nackte rechte Schulter seiner Frau, flüsterte: »Schlaf gut, Frances«, und ging hinaus.
    Unten saß Alfie schon erwartungsvoll vor der Haustür. Webberly ging noch einmal in die Küche, um seine Jacke und die Hundeleine zu holen. Als er zurückkam, sprang der Hund auf und drehte sich freudig im Kreis, bis Webberly ihn festhielt, um ihm die Leine anzulegen.
    Er wollte an diesem Abend nur einen kurzen Spaziergang mit dem Hund machen, einmal um den Block - die Palgrave Road hinauf bis zur Stamford Brook Road und dann durch die Hartswood Road zurück zur Palgrave Road und nach Hause. Er war müde, und er hatte keine Lust, im Park herumzustehen und zu warten, während Alfie sich vergnügte. Natürlich wusste er, dass das dem Hund gegenüber nicht fair war. Das Tier war treu und geduldig und verlangte nicht mehr als regelmäßig Nahrung und zweimal täglich einen Spaziergang, um sich auf den Grünflächen der Prebend Gardens auszutoben. Das war wenig genug, aber an diesem Abend war Webberly nicht einmal bereit, das zu geben.
    »Dafür gehe ich morgen doppelt so lang mit dir, Alfie«, sagte er und nahm sich fest vor, das auch zu tun.
    Der Verkehr hatte um diese Zeit nachgelassen, aber immer noch rumpelten Pkws und Busse in beinahe lückenloser Kette durch die Stamford Brook Road. Alfie setzte sich gehorsam auf den Bürgersteig, wie er das gelernt hatte. Aber als Webberly nach links schwenken wollte, anstatt wie sonst die Straße zum Park zu überqueren, rührte der Hund sich nicht vom Fleck. Sein Blick schweifte von seinem Herrn zur dunklen Masse der Bäume und Büsche auf der anderen Straßenseite, und er klopfte mit dem Schweif aufs Pflaster.
    »Morgen, Alf«, sagte Webberly. »Doppelt so lange. Ich versprech's dir. Morgen. Komm jetzt.« Er zog an der Leine.
    Der Hund stand auf. Aber als Webberly den Blick sah, den das Tier zum Park sandte, gab er mit einem Seufzen nach. Er konnte nicht auch hier noch

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