Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Polizeifotografen noch an Grellheit gewann.
    Das nächtliche Treiben vor ihren Häusern hatte die Nachbarn in Scharen ins Freie gelockt, aber weiter als bis zum Rand der Fahrbahn, die auf beiden Seiten mit gelben Plastikbändern abgesperrt war, kamen sie nicht. Hinter den Schranken, die an beiden Straßenenden aufgestellt worden waren, hatte sich bereits eine Meute Pressefotografen eingefunden, diese Geier, die ständig den Polizeifunk abhörten, in der Hoffnung zu erfahren, dass es irgendwo frisches Blut zu fotografieren gab.
    Inspector Leach drückte eine Lutschtablette aus der Packung, die er vorsorglich eingesteckt hatte. Er ließ seinen Wagen hinter einem Rettungsfahrzeug stehen, dessen Besatzung in wasserdichte Regenkleidung gehüllt vorn an der Motorhaube lehnte. Die Männer tranken aus einer Thermosflasche Kaffee und taten das mit einer Gemütsruhe, die keinen Zweifel daran ließ, dass ihre Dienste nur noch für eines gebraucht wurden. Leach nickte ihnen zu, als er mit eingezogenem Kopf an ihnen vorübereilte, zeigte dem langen jungen Constable, der die Aufgabe hatte, die Presse abzuwimmeln, seinen Dienstausweis und ging an der Schranke vorbei auf die kleine Gruppe von Kollegen zu, die weiter die Straße hinauf um ein Auto herumstand.
    Hier und dort fing er eine Bemerkung der Gaffer auf, als er die ansteigende Straße hinaufstapfte, meist in ehrfürchtigem Ton gemurmelte Weisheiten über die Gleichgültigkeit, mit der der Tod sich seine Opfer sucht. Aber es fiel auch diese oder jene unüberlegte Beschwerde über den Wirbel, der entstand, wenn ein plötzlicher Todesfall in der Öffentlichkeit polizeiliche Untersuchung erforderte. Und als Leach eine dieser Beschwerden hörte, in dem abfällig nörgelnden Ton gesprochen, den er hasste, machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte schnurstracks in Richtung der protestierenden Stimme, die ihre Klage soeben mit den Worten schloss: »... dass man ohne jeden ersichtlichen Grund aus dem Schlaf gerissen wird, nur weil diese Zeitungsschmierer ihre niedrigen Instinkte befriedigen wollen.« Er fand die Nörglerin, eine Schreckschraube mit gemeißeltem Haar und einem gelifteten Gesicht, das durch die Operation nicht schöner geworden war. Sie sagte gerade: »Wenn einen die Gemeindesteuern, die man bezahlt, nicht vor derartigen Störungen schützen -«, als Leach sie mit einem lauten Ruf zum nächststehenden Constable unterbrach.
    »Sorgen Sie dafür, dass diese Hexe die Klappe hält«, blaffte er.
    »Drehen Sie ihr den Kragen um, wenn's nicht anders geht.« Und damit ging er weiter.
    Am Unfallort beherrschte im Augenblick der Pathologe die Szene. Unter einem provisorischen Zelt aus Plastikplanen war er, in eine bizarre Kombination aus Tweedhose, Gummistiefeln und Designerregenjacke gekleidet, gerade dabei, die erste Untersuchung der Leiche abzuschließen, und soweit Leach erkennen konnte, hatten sie es entweder mit einem Transvestiten oder einer weiblichen Person unbestimmten Alters zu tun, die schwer verstümmelt war. Die Gesichtsknochen waren zertrümmert; Blut sickerte aus einem Loch, wo einmal ein Ohr gewesen war; nackte Hautstellen auf dem Kopf zeigten, wo das Haar büschelweise herausgerissen worden war; der Kopf lag in natürlichem Winkel, aber unnatürlich verdreht. Es war genau der Anblick, den man sich wünschte, wenn einem vom Fieber sowieso schon übel war.
    Der Pathologe Dr. Olav Grotsin schlug sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel und stemmte sich in die Höhe. Er zog die Latexhandschuhe aus, warf sie seiner Assistentin zu, und sein Blick fiel auf Leach, der dastand und schaute und sich bemühte, sein Unwohlsein zu ignorieren, während er versuchte, sich ein Bild von dem zu machen, was er sah.
    »Sie schauen aus wie Braunbier und Spucke«, sagte Grotsin.
    »Was haben wir denn hier?«
    »Weibliche Leiche. War vielleicht eine Stunde tot, als ich ankam. Höchstens zwei.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Bezüglich was? Des Geschlechts oder der Zeit?«
    »Bezüglich des Geschlechts.«
    »Sie hat einen Busen. Verschrumpelt, aber da. Alles Weitere erfahren Sie morgen. Ich schneid sie nicht gern auf offener Straße in Stücke.«
    »Was ist passiert?«
    »Fahrerflucht. Schwere innere Verletzungen. Ich würde sagen, dass so ziemlich alles zerstört ist, was zerstört werden kann.«
    Leach sagte: »Scheiße«, und trat an Grotsin vorbei, um neben der Toten niederzuhocken. Sie lag auf der Seite, den Rücken zur Fahrbahn, nur wenige Zentimeter von der Fahrertür des

Weitere Kostenlose Bücher