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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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dieses ewig quälenden, mörderischen Problems mit meiner Musik, Libby.
    Oder ist vielleicht das Nachdenken über Libby in diesem Moment auch nur ein Vorwand, um von der Frage abzulenken, wofür die blaue Tür steht? Woher, zum Teufel, soll ich das wissen?
    Als Libby wieder nach Hause kam, rührte sie sich nicht. Sie klopfte nicht bei mir, und sie rief mich nicht an. Weder ließ sie draußen die Suzuki aufheulen, um auf ihre Rückkehr aufmerksam zu machen, noch legte sie drinnen donnernde Rhythmen auf. Dass sie wieder da war, merkte ich einzig daran, dass plötzlich die alten Rohre in den Mauern des Hauses zu knacken begannen. Sie nahm ein Bad.
    Ich ließ ihr noch vierzig Minuten Zeit, nachdem die Rohre sich beruhigt hatten, dann ging ich hinunter, nach draußen und die Treppe zu ihrer Wohnungstür hinab. Aber ich klopfte nicht. Ich zögerte, nahe daran, den Gedanken an eine Versöhnung mit ihr aufzugeben. Aber im letzten Moment, als ich mir schon sagte, ach was, zum Teufel damit, was natürlich nichts anderes als Feigheit war, wurde mir bewusst, dass ich keinen Streit mit Libby wollte. Sie war mir eine so gute Freundin gewesen. Mir fehlte diese Freundschaft, und ich wollte sicher gehen, dass ich sie noch hatte.
    Ich musste mehrmals anklopfen, um sie zu einer Reaktion zu bewegen. Und als sie sich endlich meldete, fragte sie durch die geschlossene Tür: »Wer ist da?«, obwohl sie genau wusste, dass außer mir bestimmt niemand sie am Chalcot Square aufsuchen würde. Ich übte mich in Geduld. Sie ist ärgerlich auf mich, sagte ich mir. Und alles in allem ist das ihr gutes Recht.
    Als sie öffnete, hielt ich mich an die konventionellen Floskeln.
    »Hallo. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Als du auf einmal verschwunden warst ...«
    »Lüg doch nicht«, sagte sie, aber sie sagte es nicht unfreundlich. Sie hatte Zeit gehabt, sich anzukleiden, und trug nicht die gewohnte Montur, sondern einen farbenfrohen Rock, der ihr bis zu den Waden ging, und einen schwarzen Pulli, der ihr bis zu den Hüften reichte.
    Ihre Füße waren nackt. Um eine Fessel trug sie ein goldenes Kettchen. Sie sah hübsch aus.
    »Das ist keine Lüge. Als du weg warst, dachte ich, du wärst zur Arbeit gefahren. Als du nicht zurückkamst ... ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.«
    »Du lügst schon wieder«, sagte sie.
    Ich blieb geduldig. Es ist meine Schuld, sagte ich mir, also muss ich auch die Strafe auf mich nehmen. »Darf ich reinkommen?«, fragte ich.
    Mit einer Bewegung, die wie ein Achselzucken des ganzen Körpers wirkte, trat sie von der Tür zurück. Ich folgte ihr in die Wohnung. Sie hatte sich offensichtlich gerade zum Essen setzen wollen. Der Couchtisch vor dem Futon, der ihr als Sofa diente, war gedeckt, aber nicht mit dem bei ihr üblichen Restaurantessen vom Chinesen oder Inder. Sie hatte sich Hühnchenbrust mit Broccoli und einen gemischten Salat gemacht.
    »Du bist beim Essen«, sagte ich. »Entschuldige. Soll ich später wiederkommen?« Mein förmlicher Ton ärgerte mich selbst.
    »Nein, kein Problem, wenn es dich nicht stört, mir beim Essen zuzusehen.«
    »Überhaupt nicht. Aber vielleicht macht es dir etwas aus, wenn ich zusehe?«
    »Nein, das macht mir nichts aus.«
    Ein höfliches Frage- und Antwortspiel. Es gab so viele Dinge, über die wir miteinander reden konnten, und so viele Dinge, die wir mieden.
    »Ich möchte mich wegen neulich entschuldigen«, sagte ich.
    »Was da vorgefallen ist, tut mir Leid. Zwischen uns, meine ich. Ich mache im Moment eine schlechte Phase durch. Na ja, das weißt du ja schon. Aber solange ich da nicht durch bin, werde ich für niemanden erträglich sein.«
    »Warst du das denn vorher?«
    Ich war konfus. »Was?«
    »Erträglich für jemanden.« Sie ging zum Sofa und strich ihren Rock glatt, als sie sich setzte, eine sehr weiblich anmutende Geste, die zu ihr nicht zu passen schien.
    »Ich weiß nicht, wie ich darauf ehrlich antworten und zu mir selbst ehrlich sein soll«, antwortete ich. »Eigentlich müsste ich sagen, ja, früher war ich ganz in Ordnung, und das wird auch wieder so sein. Aber in Wahrheit hat mir vielleicht immer etwas gefehlt. In Wahrheit war ich vielleicht nie erträglich für andere und werde es vielleicht auch niemals sein. Das ist alles, was ich im Moment weiß.«
    Ich sah, dass sie Wasser trank und nicht Cola wie sonst. Im Wasser waren Eiswürfel und eine Scheibe Zitrone. Sie nahm das Glas, während ich sprach, und behielt mich über seinen Rand hinweg im Auge, als

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