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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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nicht haben, aber der gute alte Rock ist ganz scharf auf mich, und wenn irgendein blödes Arschloch scharf auf mich ist, dann heißt das, dass ich okay bin, dass ich real bin, dass ich wirklich existiere.«
    »Libby, ich sage nichts dergleichen.«
    »Das brauchst du auch gar nicht. So lebst du, und darum glaubst du, dass alle anderen auch so leben. Aber du lebst in deiner Welt nur für diese dämliche Geige statt für einen anderen Menschen, und wenn die Geige nichts von dir wissen will oder so was, dann weißt du nicht mehr, wer du bist. Genau so läuft's, Gideon. Aber du bist nicht mein Leben. Und die Geige ist nicht deines.«
    Ich fragte mich, wie wir soweit gekommen waren. Mir fiel keine klare Antwort ein. Und in meinem Kopf hörte ich nur meinen Vater, der mir vorhielt, dass das dabei herauskommt, wenn man sich mit Amerikanern zusammentut, und von allen Amerikanern sind die schlimmsten die aus Kalifornien. Die führen keine Dialoge, die psychologisieren.
    Ich sagte: »Ich bin Musiker, Libby.«
    »Nein. Du bist ein Mensch. So wie ich ein Mensch bin.«
    »Außerhalb dessen, was er tut, existiert der Mensch nicht.«
    »Aber natürlich! Die meisten Menschen existieren ganz prima. Nur die Menschen, die kein Innenleben haben - die, die sich nie die Zeit genommen haben, herauszufinden, wer sie wirklich sind -, die brechen total zusammen, wenn nicht alles so läuft, wie sie sich's vorstellen.«
    »Du kannst doch gar nicht wissen, wie dieses - diese Situation - zwischen uns - was für einen Ausgang sie nehmen wird. Ich habe gesagt, dass ich mich in einer schlechten Phase befinde, aber ich bin dabei, sie zu überwinden. Ich arbeite jeden Tag daran.«
    »Mensch, du hörst mir echt überhaupt nicht zu.« Sie warf die Gabel hin. Sie hatte nicht einmal die Hälfte ihrer Mahlzeit gegessen, aber sie trug ihren Teller in die Küche, kippte Hühnchen und Broccoli in einen Plastikbeutel und warf ihn in den Kühlschrank. »Du hast nichts, wenn deine Musik dich im Stich lässt. Und du glaubst, dass ich auch nichts habe, wenn's zwischen dir und mir oder Rock und mir oder mir und weiß der Himmel wem nicht klappt. Aber ich bin nicht du. Ich hab mein eigenes Leben. Du bist derjenige, der keines hat.«
    »Und genau darum versuche ich, mir mein Leben zurückzuholen. Denn solange mir das nicht gelingt, bin ich weder für mich selbst noch für irgendeinen anderen Menschen gut.«
    »Falsch. Du hast nie ein eigenes Leben gehabt. Du hattest immer nur die Geige. Das Geigenspiel, das warst doch nie du! Aber du hast es zu deinem einzigen Lebensinhalt gemacht, und darum bist du jetzt nichts!«
    Gewäsch, konnte ich meinen Vater verächtlich sagen hören. Noch einen Monat in der Gesellschaft dieser Person, und das bisschen Verstand, das dir geblieben ist, wird Matsch sein. Das ist das Resultat des regelmäßigen Genusses von Talkshows und Selbsthilfebüchern.
    So zwischen meinem Vater und Libby hin und her gerissen, hatte ich keine Chance. Der einzige Ausweg schien mir ein würdevoller Abgang. Ich versuchte, ihn zu bewerkstelligen, indem ich erklärte: »Ich denke, wir haben alles gesagt, was es zu dem Thema zu sagen gibt. Mit Sicherheit lässt sich jedenfalls feststellen, das dies nun mal ein Gebiet ist, auf dem wir unterschiedlicher Meinung sind.«
    »Ach ja, achten wir doch darauf, immer nur das zu sagen, was sich mit Sicherheit sagen lässt«, entgegnete Libby. »Denn wir könnten ja tatsächlich imstande sein, uns zu verändern, wenn uns die Lage zu brenzlig wird und wir Angst bekommen.«
    Ich war schon an der Tür, aber diese letzte spitze Bemerkung von ihr lag so weit daneben, dass ich sie korrigieren musste. Ich sagte: »Manche Menschen brauchen sich nicht zu verändern, Libby. Sie müssen vielleicht verstehen, was mit ihnen geschieht, aber sie brauchen sich nicht zu verändern.«
    Ich ging, bevor sie antworten konnte. Es schien mir von größter Wichtigkeit, das letzte Wort zu haben. Aber als ich die Tür hinter mir schloss - ich tat es sehr behutsam, um ja durch nichts den Eindruck einer feindseligen Reaktion zu erwecken -, hörte ich sie dennoch sagen: »Ja, klar, Gideon.« Und dann schrammte etwas krachend über den Fußboden, so als hätte sie dem Couchtisch einen wütenden Tritt versetzt.

4. November
    Ich bin die Musik. Ich bin das Instrument. Sie sieht das als falsch an. Ich nicht. Was ich sehe, ist der Unterschied zwischen uns, der Unterschied, auf den mein Vater mich von dem Moment an aufmerksam zu machen versuchte, als er Libby

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