11 - Nie sollst Du vergessen
einmal.
»- dass er es getan hat; dass er, als er an diesem Abend ins Bad kam und sie in der Wanne sah, meine Schwester weiter unter Wasser drückte und sie tötete. Aber er lügt. Er lügt, weil er weiß, dass ich die Geige wahrscheinlich nie wieder zur Hand nehmen werde, solange ich davon überzeugt bin, sie getötet zu haben.« »So war es nicht!«, sagte Richard.
»Was war nicht so?«
Richard antwortete nicht gleich. Dann sagte er nur: »Bitte«, hilflos vor der Entscheidung zwischen den zwei Übeln, mit denen Gideon ihn so gnadenlos konfrontiert hatte. Und ganz gleich, für welches er sich entschied, sie bedeuteten am Ende ein und dasselbe: Entweder er hatte sein Kind getötet. Oder er hatte sein Kind getötet.
Gideon schien dem Schweigen seines Vaters die Antwort zu entnehmen, die er wünschte. Er sagte: »Ja. In Ordnung«, und ließ das Bild seiner Schwester zu Boden fallen.
Mit großen Schritten eilte er zur Tür und riss sie auf.
»Um Gottes willen, ich habe es getan«, rief Richard laut. »Gideon! Bleib! Hör mir zu. Du musst mir glauben, was ich sage. Ich habe sie in der Wanne unter Wasser gehalten. Ich habe Sonia ertränkt.«
Jill stöhnte auf vor Entsetzen. Es war alles nur allzu logisch. Sie begriff. Er sprach mit seinem Sohn, aber gleichzeitig tat er noch etwas anderes: Er erklärte Jill endlich, was ihn von der Ehe abhielt.
Gideon sagte: »Nichts als Lügen«, und wandte sich zum Gehen.
Richard wollte ihm nachlaufen, wurde aber durch seine Verletzungen daran gehindert. Jill stand schwerfällig vom Sofa auf.
»Es sind alles Töchter«, sagte sie. »Alles Töchter. Virginia. Sonia. Und nun Catherine.«
Richard humpelte zur Tür und lehnte sich an den Pfosten. Er brüllte: »Gideon! Verdammt noch mal! Hör mir zu!«, und stürzte in den Korridor hinaus.
Jill rannte ihm nach. »Du wolltest nicht heiraten, weil es eine Tochter ist«, schrie sie und packte ihn beim Arm. Er sprang hinkend zur Treppe und riss sie mit sich, so schwer sie auch war. Sie hörte Gideon polternd nach unten laufen, dann seinen knallenden Schritt auf den Fliesen im Foyer.
»Gideon!«, brüllte Richard erneut. »Warte!«
»Du hast Angst, sie wird wie die anderen beiden«, rief Jill, weinend an Richards Arm geklammert. »Du hast Virginia gezeugt. Du hast Sonia gezeugt. Und du glaubst, dass unser Kind auch behindert sein wird. Darum wolltest du mich nicht heiraten.«
Die Haustür wurde aufgerissen. Richard und Jill erreichten die Treppe. Richard schrie: »Gideon! Hör mir doch mal zu!«
Jill hing schwer an seinem Arm. »Das ist der Grund, nicht wahr? Du wolltest erst sehen, ob das Kind normal bist, bevor du -«
Er schüttelte sie ab. Sie griff von Neuem nach ihm.
»Geh weg!« schrie er sie an. »Lass mich los. Geh schon! Siehst du denn nicht, dass ich ihn aufhalten muss?«
»Antworte mir. Sage es mir. Du dachtest, das Kind würde nicht normal werden, weil es eine Tochter ist, und wenn wir vorher heirateten, säßest du fest. Mit mir. Mit ihr. Genau wie früher.«
»Du weißt ja nicht, was du redest.«
»Dann sag mir, dass ich mich irre.«
»Gideon!«, brüllte er wieder. »Verdammt noch mal, Jill! Ich bin sein Vater. Er braucht mich. Du hast ja keine Ahnung ... Lass mich endlich los.«
»Nein! Erst wenn du -«
»Ich - sage - lass - mich ...« Er knirschte mit den Zähnen. Sein Gesicht war starr. Jill spürte, wie seine Hand - seine gesunde Hand - sich zu ihrer Brust hob und ihr einen brutalen Stoß versetzte.
Sie klammerte sich noch fester an seinen Arm. »Nein!«, schrie sie. »Was tust du da, Richard? Rede mit mir!«
Sie wollte ihn zu sich ziehen, aber er drehte sich von ihr weg und riss sich los. Ihre Positionen am Treppenabsatz verschoben sich gefährlich. Er war jetzt oberhalb von ihr. Sie war unterhalb. So versperrte sie ihm den Weg, den Weg zu Gideon und zur Rückkehr in ein Leben, das zu verstehen sie sich nicht erlauben durfte.
Beide atmeten keuchend. Der Geruch seines Schweißes hing in der Luft. »Das ist der Grund, nicht wahr?«, rief Jill. »Ich möchte es aus deinem Mund hören, Richard.«
Aber anstatt ihr zu antworten, stieß er einen unartikulierten Schrei aus, und bevor sie aus dem Weg gehen konnte, drängte er sich an ihr vorbei. Er schlug ihr mit seinem gesunden Arm gegen die Brust. Sie wich reflexartig zurück, verlor den Halt unter den Füßen. Und stürzte die Treppe hinunter.
28
Richard hörte den Atem in seinen Ohren rauschen. Sie stürzte, und er sah ihr nach und hörte das Krachen
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