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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Gegenwart eindrang, und wusste, dass er der Zukunft eine Radikalkur schuldete, die nur durchgeführt werden konnte, wenn er redete. Trotzdem hätte er das gern noch eine Weile hinausgeschoben. Und als er um die Ecke bog, hoffte er auf dunkle Fenster als Vorwand für weiteres Zögern.
    Aber er hatte Pech. Das Licht über der Haustür brannte hell, und aus den Fenstern von St. James' Arbeitszimmer fielen gelbe Lichtstreifen auf den schmiedeeisernen Zaun, der das Grundstück umschloss.
    Er ging die Treppe hinauf und klingelte. Drinnen bellte als Antwort der Hund. Er bellte immer noch, als Deborah St. James die Tür öffnete.
    Sie sagte: »Tommy! Du meine Güte, du bist ja völlig durchnässt. Hast du deinen Schirm vergessen? - Peach, hierher!« Sie hob den kläffenden kleinen Dackel hoch und klemmte ihn unter den Arm. »Simon ist nicht da«, sagte sie, »und Dad schaut sich einen Film über Schlafmäuse an - frag mich nicht, warum. Da nimmt Peach seine Pflichten als Wachhund etwas ernster als sonst. Komm jetzt, Peach, hör auf zu knurren.«
    Lynley trat ins Haus und zog seinen nassen Mantel aus. Er hängte ihn an die Garderobe rechts neben der Tür und streckte dem Hund die Hand hin, um ihn schnuppern zu lassen. Peach hörte auf, zu bellen und zu knurren, und zeigte sich bereit, Lynleys Huldigung in Form von ein paar Streicheleinheiten entgegenzunehmen.
    »Er ist wahnsinnig verwöhnt«, bemerkte Deborah.
    »Er tut nur seine Pflicht. Du solltest nicht jedem gleich die Tür aufmachen, jedenfalls nicht nach Einbruch der Dunkelheit, Deb. Das ist unvorsichtig.«
    »Ich gehe immer davon aus, dass Peach einen Einbrecher am Hosenbein packen wird, bevor er das erste Zimmer betreten kann. Große Beute würde bei uns sowieso keiner machen, obwohl ich gar nichts dagegen hätte, dieses scheußliche Ding mit den Pfauenfedern, das im Esszimmer auf der Anrichte steht, loszuwerden.« Sie lächelte. »Wie geht's dir, Tommy? Komm mit, ich bin da drinnen.«
    Sie führte ihn ins Arbeitszimmer, wo sie, wie er sah, dabei war, die Fotos zu verpacken, die sie für ihre Ausstellung im Dezember ausgewählt hatte. Überall auf dem Boden verteilt standen gerahmte Fotografien, die noch mit Plastik geschützt werden mussten, und mitten unter ihnen eine Flasche Glasreiniger, eine Rolle Küchenkrepp, Packpapier, Klebeband und Schere. Im offenen Kamin brannte ein Gasfeuer, und Peach steuerte sofort den Korb an, der davor stand, und rollte sich darin zusammen.
    »Du musst einen Hindernislauf machen, wenn du einen Schluck von Simons Whisky willst«, sagte Deborah.
    »Wo ist Simon überhaupt?«, fragte Lynley, während er sich zwischen den Fotos hindurch zum Barwagen schlängelte.
    »Bei einem Vortrag in der Royal Geographie Society; irgendjemandes Reise irgendwohin, und hinterher eine Autogramm stunde. Ich glaube, es geht um Eisbären. In dem Vortrag, meine ich.«
    Lynley lächelte. Er trank einen kräftigen Schluck von dem Whisky, um sich Mut zu machen, und sagte, damit der Alkohol erst einmal wirken konnte: »Wir haben übrigens in dem Fall, an dem wir gegenwärtig arbeiten, jemanden festgenommen.«
    »Das ist aber schnell gegangen. Weißt du, Tommy, du bist wirklich ideal für die Arbeit bei der Polizei. Wer hätte das gedacht, so wie du aufgewachsen bist.«
    Sie erwähnte seine Herkunft selten. In eine privilegierte Familie hineingeboren, hatte Lynley Abstammung und Familiengeschichte sowie die Pflichten, die diese mit sich brachten, lange als drückende Last empfunden. Jetzt daran erinnert zu werden - Familie, nutzlose Titel, die jedes Jahr weiter an Sinn und Bedeutung verloren, hermelinbesetzte Samtumhänge und mehr als zweihundertfünfzig Jahre Familientradition, die jeden seiner Schritte bestimmte - brachte ihm wieder mit aller Schärfe zu Bewusstsein, was er ihr sagen wollte und warum. Und dennoch schob er es weiter hinaus, indem er ihr erwiderte: »Ja, na ja. In einem Mordfall ist schnelles Handeln entscheidend. Wenn die Spur erst einmal kalt geworden ist, sind die Chancen, einen Täter zu schnappen, weit geringer. Ich bin übrigens wegen des Computers gekommen, den ich bei Simon gelassen habe. Steht er noch oben im Labor? Ist es dir recht, wenn ich ihn mir hole, Deb?«
    »Natürlich«, antwortete sie, aber der Blick, den sie ihm zuwarf, zeigte Verwunderung, entweder über seine Erklärungen - aufgrund der Arbeit ihres Mannes war ihr völlig klar, wie wichtig bei einer Morduntersuchung schnelles Handeln war - oder über den übertrieben forschen

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