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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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oder - oder es passiert was.‹«
    »Und was, bitte?«
    »Ja, ja, ich weiß schon«, sagte sie kleinlaut. »Du wurdest sie niemals verlassen. Wie könntest du auch? Du könntest dir ja selbst nie wieder ins Gesicht sehen. Aber es muss doch was geben, an das du - woran wir noch nicht gedacht haben.« Sie ließ sich, vielleicht um ihrem Vater eine Antwort zu ersparen, von Alfie ablenken, der mit gespannter Aufmerksamkeit eine Katze weiter vorn auf ihrem Weg beobachtete. Schnell nahm sie ihrem Vater die Leine aus der Hand und sagte, mit einem kurzen Ruck daran ziehend: »Daran brauchst du nicht mal zu denken, Alfred!«
    An der Ecke überquerten sie die Straße und trennten sich dann mit einer liebevollen Umarmung. Miranda wandte sich nach links zum U-Bahnhof Stamford Brook, während Webberly am grünen Eisengitter entlangging, das den Park auf der Ostseite begrenzte.
    Im Park nahm er Alfie den Ball ab und schleuderte ihn, nachdem er den Hund von der Leine gelassen hatte, so weit er konnte auf die Grünfläche hinaus. Der Hund setzte dem Ball in wilden Sprüngen nach, rannte, sobald er den Ball geschnappt hatte, wie stets bis zum Ende der Rasenfläche und jagte endlos im Kreis um die Grünanlage herum. Webberly verfolgte mit Blicken seinen wilden Lauf von Busch zu Baum, während er selbst nur ein paar Schritte bis zu der schwarzen Parkbank vor dem Schwarzen Brett mit den Gemeindenachrichten ging.
    Er überflog die Nachrichten, ohne sie wirklich aufzunehmen: Weihnachtsfeiern, Trödelmärkte, Haushaltsauflösungen. Er sah mit Befriedigung, dass die Telefonnummer der zuständigen Polizeidienststelle auffällig platziert war, und vermerkte, dass irgendeine Gruppe, die vorhatte, einen Nachbarschaftsschutz ins Leben zu rufen, ein Treffen im Souterrain einer der Kirchen plante. Er las das alles und hätte doch später keinerlei Auskunft darüber geben können, was er gelesen hatte. Er nahm die sechs, sieben Zettel wahr, die hinter Glas an die Anschlagtafel geheftet waren. Sein Blick glitt über jeden der Texte, aber in Gedanken war er bei Frances, wie sie vorhin am Küchenfenster gestanden hatte, und bei seiner Tochter, die zärtlich und mit bedingungslosem Vertrauen in ihn sagte: Du würdest sie niemals verlassen. Wie könntest du auch? Aber gerade diese letzten Worte erschienen ihm wie blanker Hohn. Wie könntest du sie je verlassen, Malcolm Webberly? Sag, wie könntest du?
    Tatsächlich war eine Trennung von Frances das Letzte gewesen, was er an dem Abend im Kopf gehabt hatte, als er in das Haus am Kensington Square gerufen worden war. Die Meldung war über die Dienststelle Earl's Court Road eingegangen, wo er, vor kurzem zum Inspector befördert, mit seinem neuen Partner, Sergeant Eric Leach, tätig war. Leach hatte am Steuer gesessen, als sie die Kensington High Street hinuntergefahren waren, wo damals kaum weniger Getümmel geherrscht hatte als heute, und da Leach sich im Bezirk noch nicht auskannte, war er ein gutes Stück über das Ziel hinausgeschossen, und sie hatten durch die gewundene kleine Thackery Street, deren dörflicher Charakter so gar nicht zu ihrer großstädtischen Umgebung passte, wieder zurückfahren müssen. Von Südosten auf den Platz kommend, sahen sie das Haus, das sie suchten, direkt vor sich stehen: ein viktorianisches Gebäude aus rotem Backstein mit einem Medaillon unter dem Giebel, das das Baujahr, 1879, angab; ein relativ neuer Bau in einem Stadtviertel, wo die ältesten Häuser beinahe zweihundert Jahre früher errichtet worden waren.
    Nur ein Streifenwagen stand noch am Bordstein. Die Sanitäter waren längst wieder fort, genau wie die Nachbarn, die sich zweifellos vor dem Haus versammelt hatten, als Polizeisirenen die abendliche Stille dieser Wohngegend gestört hatten.
    Webberly stieg aus dem Auto und ging zum Haus. Ein schwarzes schmiedeeisernes Gitter auf einem niedrigen Backsteinsockel umgrenzte einen gepflasterten Vorhof, in dessen Mitte in einem großen Pflanzgefäß eine Zierkirsche stand. Ihre Blütenblätter bedeckten den Boden unter ihr wie ein zartrosa Teppich.
    Die Haustür war geschlossen, aber drinnen hatte offensichtlich jemand auf sie gewartet. Kaum setzte Webberly den Fuß auf die unterste Stufe der Vortreppe, da ging die Tür auf, und der Constable, der die Dienststelle angerufen hatte, ließ sie ins Haus. Er wirkte tief erschüttert. Es sei das erste Mal, dass er zu einem toten Kind gerufen worden sei, erklärte er. Er war unmittelbar nach dem Rettungsdienst

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