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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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zu lesen. Neben sich auf dem Boden hatte er aufgehäuft, was er sonst noch in der Kiste gefunden hatte, unter anderem eine Sammlung von Zeitschriften und Zeitungen sowie fünf in Leder gebundene Alben.
    »Was denn?«, fragte sie.
    »Sie hat hier das reinste Archiv über ihren Sohn Gideon.«
    »Zeitungsausschnitte? Und weshalb?«
    »Er ist Geiger.« Lynley ließ das Blatt sinken, das er in der Hand hielt, und sagte: »Gideon Davies, Havers.«
    »Nie gehört.« Barbara, die einen Waschlappen in Form einer Katze in der Hand hielt, schüttelte den Kopf.
    »Sie wissen nicht -? Okay, schon gut«, sagte Lynley. »Das hatte ich vergessen. Klassische Musik ist ja nicht unbedingt Ihre Stärke. Wäre er der Gitarrist der Faulenden Zähne -«
    »Nehme ich da eine gewisse Verachtung für meinen Musikgeschmack wahr?«
    »- oder irgendeiner anderen Gruppe, hätte es bei Ihnen wahrscheinlich sofort gefunkt.«
    »Genau«, sagte Barbara. »Also, wer ist der Typ?«
    Lynley erklärte: ein ehemaliges musikalisches Wunderkind, ein Geigenvirtuose von Weltruf, der sein erstes öffentliches Konzert gegeben hatte, noch bevor er zehn Jahr alt gewesen war. »Seine Mutter hat offenbar alles, was die Zeitungen über ihn geschrieben haben, aufgehoben.«
    »Obwohl sie keinen Kontakt mehr zu ihm hatte?«, fragte Havers. »Das legt nahe, dass er die Verbindung abgebrochen hat. Oder vielleicht der Vater.« »Hm«, brummte Lynley zustimmend, während er die Papiere durchsah. »Das ist ja eine wahre Fundgrube. Alles über seine Auftritte, besonders über den letzten, sogar die Berichte der Boulevardpresse hat sie aufbewahrt.«
    »Na ja, wenn er so berühmt ist ...« Barbara fand unter den Badesachen einen kleinen Karton und öffnete ihn. Er enthielt ein Arsenal an verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die Etiketten auf den Behältern lauteten alle auf denselben Namen: Sonia Davies.
    »Nein, nein. Der Auftritt war eher ein Fiasko«, erklärte Lynley.
    »In der Wigmore Hall. Ein Beethoven-Trio. Davies spielte keinen einzigen Ton. Er marschierte noch vor seinem Einsatz einfach vom Podium und hat seither nicht wieder in der Öffentlichkeit gespielt.«
    »Starallüren?«
    »Möglich.«
    »Oder vielleicht Lampenfieber?«
    »Kann auch sein.« Lynley hielt die Zeitungen hoch, Sensationsblätter und seriöse Tageszeitungen. »Sie scheint alles gesammelt zu haben, was über diesen Vorfall geschrieben wurde, und sei es auch nur die kleinste Meldung.«
    »Sie war seine Mutter. Was ist in den Alben?«
    Lynley schlug das erste Album auf. Barbara kroch näher, um ihm über die Schulter zu blicken. Die Alben enthielten weitere Zeitungsausschnitte, dazu Konzertprogramme, Fotos und Broschüren einer Institution mit Namen East London Conservatory.
    »Es würde mich interessieren, was genau an dem Zerwürfnis der beiden schuld war«, bemerkte Barbara, als sie das alles sah.
    »Das ist eine gute Frage«, meinte Lynley.
    Sie sahen die restlichen Dinge in den Kartons und der Kiste durch. Es war nichts dabei, was nicht entweder mit Gideon oder Sonia Davies zu tun hatte. Als hätte sie, dachte Barbara, vor der Geburt ihrer Kinder nicht existiert und aufgehört zu existieren, als sie sie verloren hatte. Aber sie hatte natürlich nur eines von ihnen verloren.
    »Wir werden wohl dem guten Gideon mal auf den Zahn fühlen müssen«, sagte Barbara.
    »Er steht schon auf der Liste«, bestätigte Lynley.
    Nachdem sie alles aufgeräumt hatten, ließen sie sich durch die Luke wieder in den Flur im ersten Stockwerk hinunter, und Lynley zog die Klappe zu. »Holen Sie die Briefe aus dem Schlafzimmer, Havers«, sagte er. »Und dann fahren wir in den Sixty Plus Club hinüber. Vielleicht bekommen wir da ein paar Auskünfte, die uns weiterhelfen.«
    Auf dem Weg zurück durch die Friday Street kamen sie an der Buchhandlung gegenüber vorbei, wo, wie Barbara bemerkte, der Major hinter eine Auslage von Bilderbüchern am Schaufenster stand und sie ganz offen beobachtete. Er hob ein Taschentuch zum Gesicht, als sie vorübergingen. Weinte er? Oder tat er nur so? Oder schnauzte er sich vielleicht ganz einfach. Barbara konnte nicht umhin, sich Gedanken zu machen. Drei Jahre auf eine Entscheidung zu warten, die dann negativ ausfiel, das war hart.
    Die Friday Street mündete in die Duke Street. Dort waren im Fenster eines großen Musikgeschäfts neben Gitarren, Mandolinen und Banjos auch Geigen und Bratschen ausgestellt.
    »Einen Moment, Barbara«, sagte Lynley und trat näher, um sich die Instrumente

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