11 - Nie sollst Du vergessen
anhatte, das mehr einem Gartenfest entsprach als dem grauen Novembertag. Mit zähnefletschendem Lächeln stellte sie sich als Georgia Ramsbottom vor, Schriftführerin des Vereins, »im fünften Jahr in Folge gewählt und stets einstimmig«. Ob sie ihnen behilflich sein könne? Gehe es vielleicht um Vater oder Mutter, die sich scheuten, sich persönlich über das Angebot des Klubs zu informieren? Oder gehe es um einen Vater, der den Tod der geliebten Frau nicht verwinden könne? Oder eine kürzlich verwitwete Mutter?
»Die älteren Herrschaften« - zu denen sie sich selbst offensichtlich nicht zählte, wenn auch die straff gespannte, glänzende Haut ihres Gesichts Bände sprach über ihren erbitterten Kampf gegen das Alter - »lassen sich manchmal gern etwas Zeit, wenn es daran geht, gewisse Änderungen im Leben vorzunehmen, nicht wahr?«
»Nicht nur die älteren Herrschaften«, erwiderte Lynley charmant, zog seinen Dienstausweis heraus und nannte seinen und Barbaras Rang und Namen.
»Ach, du meine Güte. Entschuldigen Sie vielmals. Ich hatte ja keine Ahnung ...« Georgia Ramsbottom senkte die Stimme. »Sie sind von der Polizei? Ich weiß gar nicht, ob ich da der richtige Ansprechpartner für Sie bin. Ich bin ja nur gewählt.«
»Fünf Jahre in Folge«, bemerkte Barbara. »Glückwunsch!«
»Gibt es denn etwas ...? Aber da sprechen Sie am besten mit unserer Leiterin, denke ich. Sie ist nur leider noch nicht im Haus - ich weiß nicht, warum, ich kann nur sagen, dass Eugenie häufig auch anderweitig dringend gebraucht wird -, aber ich kann sie zu Hause anrufen, wenn Sie so freundlich wären, inzwischen im Spielzimmer zu warten.«
Sie zeigte auf die Tür, durch die sie selbst zur Begrüßung herausgekommen war. In dem Raum dahinter saßen an kleinen Tischen Vierergruppen beim Kartenspiel, Paare beim Schach oder Damespiel, und ein Mann saß allein da und legte Patience, und nach seinem unterdrückten Schimpfen zu urteilen, ganz ohne die Geduld, die das Spiel erfordert. Georgia Ramsbottom trat zu einer geschlossenen Tür mit einem Milchglasfenster, auf dem »Klubleitung« stand. »Ich geh nur rasch ins Büro und rufe sie an.«
»Ich nehme an, Sie sprechen von Mrs. Davies«, sagte Lynley.
»Eugenie Davies, ja. Wenn sie nicht in einem ihrer Pflegeheime zu tun hat, ist sie eigentlich immer hier. Sie ist die Güte selbst. So großherzig, wissen Sie. Ein Vorbild an ...« Ihr schien nichts einzufallen, und sie fuhr fort: »Aber wenn Sie sie suchen, dann wissen Sie wohl schon ...? Ich meine, von dem Ruf der Wohltätigkeit, den sie genießt. Sonst ...«
»Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Mrs. Davies tot ist«, sagte Lynley.
»Tot?« Georgia Ramsbottom starrte Lynley und Barbara fassungslos an. »Eugenie ist tot?«
»Ja. Es ist gestern Abend geschehen. In London.«
»In London? War sie ...? Mein Gott, was ist denn passiert? Weiß Teddy schon Bescheid?« Ihr Blick flog zur Haustür. Man sah ihr an, dass sie am liebsten sofort losgerannt wäre, um Major Wiley die schlechte Nachricht zu überbringen. »Er und Eugenie«, erklärte sie hastig und leise, als fürchtete sie, die Kartenspieler im Zimmer nebenan könnten lauschen, »sie waren ... Na ja, sie haben es beide nie direkt gesagt, aber das war typisch für Eugenie, wissen Sie. Die Diskretion in Person. Sie war nicht ein Mensch, der sich jedem gleich mitteilte. Aber wenn die beiden zusammen waren, konnte jeder sehen, dass Ted ganz bezaubert war von ihr. Und mich hat das für die beiden herzlich gefreut, das können Sie mir glauben. Ich war nämlich selbst eine Zeit lang mit Ted zusammen, gleich am Anfang, als er nach Henley kam, aber ich merkte, dass er nicht ganz der Richtige für mich war, und darum war ich, als ich ihn dann Eugenie überließ, überglücklich zu sehen, dass es bei den beiden sofort funkte. Tja, das ist eben die Chemie, nicht wahr? Dieses gewisse Etwas, das zwischen ihm und mir nicht gestimmt hat. Sie kennen das ja sicher.« Wieder zeigte sie ihre großen Zähne. »Der arme Ted. Er ist ein so reizender Mensch. Bei allen im Klub sehr beliebt.«
»Er weiß von Mrs. Davies' Tod«, sagte Lynley. »Wir haben mit ihm gesprochen.«
»Ach, der Arme. Zuerst seine Frau und jetzt das. Mein Gott!«
Sie seufzte. »Du meine Güte. Ich muss es den anderen sagen.«
Barbara konnte sich vorstellen, mit welchem Genuss sie diese Pflicht übernehmen würde.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn wir Mrs. Davies' Büro benutzen?« Lynley wies mit einer Kopfbewegung auf
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