110 - Zombies im Orient-Express
sie mal an einer deiner
bitterbösen Selbstgedrehten geschnuppert hat. So gesehen, freue ich mich
einesteils immer, dass du diese Bomber mit dir herumträgst. Man kann damit
wirklich Gutes tun ...“
Durch die
Lautsprecher kam die Ansage. Die Türen schlossen sich, dann erscholl der Pfiff.
Der Orient-Express setzte sich in Bewegung.
●
Monoton
ratterten die eisernen Räder der Lokomotive und der Waggons durch die Nacht.
Der Orient-Express jagte in Richtung Chalon-sur-Mame. In den Wagen waren noch
Abteile frei. In Straßburg, Karlsruhe, Stuttgart, München und vor allem in
Salzburg und Wien, wo der Zug im Lauf des kommenden Tages eintraf, würden viele
neue Passagiere zusteigen. Ein Teil der Passagiere des D 263 bereitete sich für
die Nacht vor. Die meisten klappten ihre Sitze auf, um sich niederzulegen. Es
gab auch zwei Schlafwagen, in denen jedoch nur drei Abteile belegt waren. Alisienne,
die junge Lady von Schloss Gainsbourgh, hielt sich allein in einem
Liegewagenabteil auf. Draußen kam ein junger Mann den Gang entlang, der in die
einzelnen Abteile blickte und schließlich die Tür zu ihrem aufzog. Er grüßte
freundlich. Alisienne blickte auf und nickte flüchtig. Sie blätterte in einem
Magazin und tat es auch noch, als der neue Fahrgast ihr gegenüber Platz nahm.
Der Enddreißiger, hochgewachsen, breitschultrig, schmale Hüften, hatte nur eine
Reisetasche, die er ins Gepäcknetz schob. Einige Minuten saßen sich der Mann
und die Frau schweigend gegenüber. Alisienne spürte die auf ihr ruhenden
Blicke. Sie erwiderte sie, um ihre Lippen zuckte es verräterisch. „Gefalle ich
Ihnen?“, fragte sie plötzlich und amüsierte sich im Stillen köstlich, wie er
zusammenzuckte, obwohl er es zu verbergen versuchte.
„Entschuldigen
Sie, wenn ich Sie so anstarre ...ja, Sie gefallen mir. Ich habe Sie schon
gesehen ...“
„Oh. wo
denn?“
„Auf dem
Victoria-Bahnhof in London, später auf der Fähre und danach auf der Fahrt von
Boulogne nach Paris.“
Sie hob
amüsiert die Augenbrauen. „Dann sind Sie mir aber schon lange auf der Spur. Sie
kommen aus London?“
„Ja.“ Er zog
eine Visitenkarte aus der Reverstasche seines Jacketts und reichte sie ihr.
„Mein Name ist Jeff Holly. Ich bin von Beruf Detektiv und Mitinhaber der
Detektei Holly and Son.“
„Sie werden
hoffentlich nicht mir auf der Spur sein? Gibt es einen eifersüchtigen Liebhaber
oder Freund, der Sie beauftragt hat, mich zu beschatten? Übrigens, mein Name
ist Alisienne, aber als Detektiv werden Sie das wohl schon längst
herausgefunden haben, oder etwa nicht?“
„Nein, ich
erfahre Ihren Namen erst in diesem Augenblick ... Alisienne, ein schöner Name, klingt französisch. Sie haben auch etwas Französisches an
sich.“
„Meine Mutter
ist Pariserin.“
Sie kamen ins
Gespräch. Es entwickelte sich ganz automatisch. Die junge, etwas blasse, aber
gutaussehende Frau erfuhr, dass Holly im Auftrag eines gehörnten Ehemannes
reiste, dessen Frau mit großer Wahrscheinlichkeit ihren Freund im
Orient-Express traf, um mit ihm nach Wien zu reisen. Alisienne wurde neugierig.
„Ist die Frau schon im Zug?“
„Ja.“
„Haben Sie
sie schon gesehen?“
„Natürlich.“
„Und warum
sind Sie nicht zu ihr ins Abteil gegangen? Dann hätten Sie sie doch ständig im
Blickfeld.“
„Das
Schlafwagenabteil ist reserviert von Paris bis Salzburg. Dann ist der Morgen
schon fast herum, und das Paar wird fröhlich und verliebt im Speisewagen ein
spätes Frühstück einnehmen. Bei dieser Gelegenheit werde ich unauffällig ein
paar Schnappschüsse machen.“
„Sie werden
mir unheimlich. Ich hoffe, Sie haben Ihre Geheimkamera in diesem Moment nicht
auf mich gerichtet, um auch mich zu fotografieren?“
Er zeigte
seine geöffneten Hände. „Hier - nichts“, sagte er. „Und hier ...“ Bei diesen
Worten klappte er Revers und Knopflöcher seiner Jacke nach außen, „... auch
nichts. Keine Knopflochkamera... und in der Uhr ist auch nichts eingebaut. Ich
hoffe, im Verlauf der Reise zu einem Bild aus Ihrer eigenen Hand zu kommen ...“
„Sie gehen
ziemlich forsch vor, Mister Holly.“
„Man muss die
Zeit nutzen, Miss Alisienne. Die Fahrt ist kurz. Wenn man nur eineinhalb Tage
Zeit hat...“
„Oh, Sie
kennen bereits mein Reiseziel?“
„Ich war so
frei, meiner Neugier freien Lauf zu lassen, als ich Sie das erste Mal sah ...
In Ihrem Beisein wurde eine große Kiste in den Gepäckwagen verstaut. Die Kiste
ist für Budapest bestimmt. Wertvolle
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