110 - Zombies im Orient-Express
nicht mehr beobachten. Alex Haith und Butler Jonas
wuchteten die Kiste in den Laderaum eines schwarzen Kastenwagens, der auf der
Rückseite des Castles stand. Die Tür wurde geschlossen, alle Lichter gelöscht.
Alex Haith und Jonas wurden in der Dunkelheit des Laderaums mit eingeschlossen.
Alisienne of Gainsbourgh startete den Wagen, fuhr den Weg, der um das gewaltige
Gebäude herum- führte, und näherte sich dem Tor. Auf dem Beifahrersitz lag die
Fernbedienung. Das Infrarotsignal aktivierte den Mechanismus, der die beiden
eisernen Torflügel aufgleiten ließ. Die merkwürdige Frau fuhr mit der makabren
Fracht und ihren beiden Begleitern vom Anwesen. Das Tor schloss sich klirrend.
Das Anwesen war verlassen. Doch dies schien nur auf den ersten Blick so.
Zwischen den Büschen war flüchtig eine Bewegung zu erkennen. Eine Gestalt reckte
sich in die Höhe. Es handelte sich offensichtlich um einen Mann, der von Kopf
bis Fuß in schwarze Kleidung gehüllt war, so dass er sich von der Dunkelheit
kaum unterschied. Alisienne of Gainsbourghs Abfahrt war beobachtet worden.
●
Salon-,
Schlaf- und Speisewagen, alle drei zwar sehr alt, aber in bestem Zustand, waren
an den normalen Orient-Express angehängt worden, der um 23.15 Uhr den Bahnhof
Paris-Ost verlassen sollte. Lord und Lady Dempsey trugen festliche Kleidung,
und auch Morna Ulbrandson sah man an, dass sie sich in dem eleganten
schwarz-weißen Kleid, das eng ihre Hüften umschloss und durch zwei haardünne
Träger gehalten wurde, wohl fühlte.
„Das Ganze
ist praktisch eine Geburtstagsfeier für meinen Sohn, wir feiern heute und
morgen gewissermaßen seine Wiedergeburt.“ Lord Dempsey war strahlender Laune.
Man merkte ihm an, wie glücklich es ihn stimmte, dass mit Archie alles wieder
in Ordnung war. Er hatte für die Fahrt von Paris nach Bukarest seine besten
Freunde und Freundinnen einladen dürfen. Insgesamt zwanzig Personen nahmen an
der ungewöhnlichen Reise teil. Claire Feenler war ebenfalls mit von der Partie.
Iwan Kunaritschew steckte in einem dunklen Abendanzug. Dass er sich nicht wohl
fühlte, sah man dem unkonventionellen Russen schon von weitem an. Am liebsten
wäre er im Rollkragenpullover oder T-Shirt aufgetreten. „Aber das lässt sich in
dieser feinen Umgebung nicht realisieren, Brüderchen“, raunte X-RAY-3 seinem
Freund zu, der ihn zu gut kannte, um nicht zu wissen, wo ihn der Schuh drückte.
„Da vergeht
einem selbst die Lust auf ne Zigarette, Towarischtsch“, beschwerte sich der
Russe halblaut und sah aus, als ob er Bauchkrämpfe hätte. „Diese weichen weißen
Sessel, die Mahagonitäfelung mit Rosen- und Zitronenholz-Intarsien ... Mann oh
Mann ... da kriegt man förmlich Angst, dass das Nikotin dran kleben bleibt.“
„Bei deinen
Superschlimmen ist das in der Tat zu befürchten. Ich würde sagen: genieß die
Reise ... sie wird unvergesslich sein ... zu einer solchen Fahrt kommen wir so
schnell nicht wieder. Einmaliges darf man nicht ungenutzt verstreichen lassen
...“
„Vergnügen
und Genuss hast du gesagt, Towarischtsch?“ Iwan hob wie ein Prediger
flehentlich die Augen zum Himmel. „Ich hab’s noch im Ohr... ich werde
versuchen, das Beste aus der Fahrt zu machen ...“ Er schob das Fenster weiter
nach unten, an dem sie standen, während der Lord seine anderen Gäste in den
Salonwagen zurückführte. Um Mitternacht sollte im Speisewagen Champagner und
Lachs serviert werden. X-RAY-7 streckte seinen Kopf hinaus und schnupperte.
„Nicht mal ne Nase voll Lokomotivqualm kann man mehr nehmen ... alles
elektrisch ... Menschen meines Schlages werden bald aussterben ... Man entzieht
ihnen die Lebensgrundlage.“
Larry Brent
legte einen Arm um seine Schultern und beugte sich neben ihm hinaus. Die
letzten Passagiere stiegen ein. Am anderen Ende des Zuges waren zwei Packwagen
angehängt. Vor einem stand eine hochgewachsene, schlanke Frau und sprach mit
einem Schaffner, als gäbe sie letzte Anweisungen. Dann entfernte sie sich mit
schnellen Schritten. Ihr Mantel stand offen und gab den Blick frei auf ein
langes, schwarzes Kleid, das sie darunter trug. „Es gibt auch andere
Möglichkeiten im Orient-Express rund vierzig Stunden zu überstehen,
Brüderchen“, sagte X-RAY-3 freundlich, als müsse er einen Jungen trösten.
„Vielleicht freundest du dich zur Abwechslung mal mit einer hübschen jungen
Frau an.“
„Und wenn sie
Nichtraucherin ist, Towarischtsch?“
„Falls sie es
nicht ist, Brüderchen, wird sie’s garantiert, wenn
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