110 - Zombies im Orient-Express
handelte, aber das durfte er nicht zu
erkennen geben.
„Diesmal,
Jeff, haben Sie mit Ihrem detektivischen Sinn danebengetippt“, strahlte
Alisienne und warf den Kopf zurück. Sie fuhr mit der einen Hand locker durchs
fallende, weichfließende Haar und lag, das eine Bein ausgestreckt, das andere
leicht angewinkelt, in verführerischer Pose halb auf der Bank. „Der Alte, das
ist ein Bruder meines Vaters, der andere sein Sohn. Sie sind auch im Zug und
haben das Nebenabteil. Als Sie dort vorüberkamen, haben Sie nichts bemerkt?“
„Doch ...
aber ich war eigentlich auf der Suche nach Ihnen ...“
Die Art, wie
sie ihn ansah, wie sie den fast geleerten Becher zu ihren Lippen führte,
veranlasste ihn, sich über sie zu beugen und durch ihr Haar zu streicheln. Dann
näherten sich seine Lippen den ihren, und ruckartig beugte sie sich plötzlich
nach vorne, als könne sie seinen Kuss kaum erwarten. Sie zog das eine Bein
höher an, und ihr Rock rutschte bis übers Knie. Während er sie küsste, fiel es
ihm immer schwerer, zu glauben dass die Frau ein gefährliches Geheimnis umgab
und sie eine Mörderin war. Doch auf dem Castle hatte er einen schlüssigen
Beweis für diesen furchtbaren Verdacht erhalten. Während der vergangenen fünf
Tage hatte der Privatdetektiv sich Abend für Abend auf dem abgelegenen Anwesen
aufgehalten und die Menschen beobachtet, die dort lebten. Er versuchte hinter
das Geheimnis ihrer Aktivitäten zu kommen. Da waren der kränkelnde Earl, der
alte Butler, der zwar über siebzig, aber noch erstaunlich rüstig war, die
Tochter des Earls, eine rätselhafte Person, und vor drei Tagen schließlich ein
gewisser Dr. Alex Haith in Hollys Blickfeld getreten. Haith behandelte den Earl
und blieb auf dem Schloss.
Aber die
Wesensart des Earls machte in kürzester Zeit eine Verwandlung durch. Angeblich
befasse er sich mit Zauberei, okkulten Praktiken und anderen satanischen
Dingen. Seine Tochter sei noch nie in der Öffentlichkeit in Erscheinung
getreten, und er sei nur deshalb so krank, weil er seine Seele dem Satan
verschrieben habe und die dämonische Magie seinen Körper immer mehr auszehre.
Nur wenige sprachen davon. Aber Jeff Holly hatte dieses Gerücht keine Ruhe
gelassen. Die Zunahme okkulter Verbrechen in seinem Land, die ständigen
Neugründungen von Hexenzirkeln und das gleichzeitige Verschwinden von Menschen
schienen in engerem Zusammenhang zu stehen, als manch einer wahrhaben wollte.
War das Schloss derer von Gainsbourgh ein solcher Ort, an dem Menschen spurlos
verschwanden? Als Alex Haith zurückkam, folgte ihm eine junge Frau. Holly
verbarg sich zu diesem Zeitpunkt im dunklen Garten, und niemand wusste etwas
von seiner Anwesenheit. Dies war ein besonderer Tag. Im Schloss herrschte rege
Betriebsamkeit. Nur worauf sie im Einzelnen zurückzuführen war ,, wusste er noch nicht. Trotz aller Anstrengungen war es
ihm bisher nicht gelungen, dort einzudringen. Alle Zugänge und Nebeneingänge
waren bestens gesichert. Es gab sogar eine raffiniert ausgeklügelte
Alarmanlage, die er in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit bis jetzt
noch nicht geknackt hatte. Die Schreie im Schloss lockten ihn wieder an. Dann
kehrte Ruhe ein. Als die große Kiste in den Laderaum des Kleinlastwagens
verfrachtet wurde, gelang dem heimlichen Beobachter ein Blick durch die weit
offene Hintertür, und er sah, wie der reglose Körper der Fremden in einen
Keller gebracht wurde. Zeit, um herauszufinden, auf welche Weise die schöne Unbekannte
zu Tode gekommen war, blieb Jeff Holly nicht. Auf dem Schloss war alles
reisefertig. Alisienne of Gainsbourgh fuhr los. Der alte Butler und Alex Haith
begleiteten sie im Laderaum des Fahrzeugs mit der geheimnisvollen Kiste. Jeff
Holly setzte sich in sein am Wegrand verstecktes Fahrzeug und folgte. Er sah,
wie die Kiste verzollt und verplombt wurde, wie Alisienne of Gainsbourgh die
Verladung wie ihren Augapfel überwachte und Karten für den Orient-Express nach
Budapest gelöst wurden. Auch über das Reiseziel war Holly schnell informiert.
Budapest... Alisienne of Gainsbourgh hatte die Absicht, am medizinischen
Kongress in der ungarischen Hauptstadt teilzunehmen. Aus welchem Grund? Was
hatten sie, der Butler oder ihr Vater mit Medizin zu tun ? Jeff Holly war dem Umstand dankbar, dass er im Kofferraum seines Autos stets
eine fertig gepackte Reisetasche dabei hatte, die das Notwendigste für einen
schnellen Aufbruch enthielt: Schlafanzug, ein frisches Hemd, frische Wäsche,
Wasch- und
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