1102 - Assungas Blutfalle
verzweifelten Ruf der Mutter ignorierte das junge Mädchen. Sharon sah nur noch, wie ein Hand sich eine Jacke schnappte, dann hörte sie, daß Cathy die Tür aufriß und sie wuchtig zuschlug.
Sie hatte die Wohnung verlassen. Und es kam Sharon so vor, als würde sie nie mehr zurückkehren.
Sharon Ambler saß auf dem Boden und ließ ihren Tränen freien Lauf…
***
Es war kein besonderer Tag gewesen. Weder für Glenda Perkins noch für viele Menschen in London. Ein Wetter zum Wegwerfen. Viel Regen, der wie in langen Schnüren auf die Stadt niedergefallen war und alles durchnäßt hatte.
Auch in der U-Bahn hatte es sehr feucht gerochen, und Glenda war schließlich froh, in ihrer Wohnung zu sein, wo sie in Ruhe ein Dusche nehmen und es sich bequem machen konnte. Die dunkelhaarige Frau hatte eigentlich an diesem Abend noch einkaufen wollen, es aber wegen des Wetters auf den nächsten Tag verschoben.
Geduscht hatte sich Glenda schnell und sich danach bequeme Kleidung übergestreift. Einen dünnen Pullover und eine Freizeithose. Über den Tag im Büro wollte sie nicht nachdenken. Sie schaltete die Glotze an, hörte dem Nachrichtensprecher zu, der auch keine guten Meldungen brachte, denn auf dem Balkan roch es nach Krieg, und da würden auch andere Länder eingreifen.
Das alles nahm Glenda hin. Sie blätterte dabei die Zeitung durch, trank einen Kaffee, aß Tomaten mit Mozzarella und schaltete den Fernseher schließlich ab, denn das Programm, das geboten wurde, gefiel ihr nicht. Zudem hatte sie sich vorgenommen, zu lesen. Zeitschriften wollten noch durchgeblättert werden. Es lagen auch zwei Bücher bereit, und so würde sie die Stunden schon herumkriegen, bevor das Bett auf sie wartete. Im Büro war keiner guter Laune gewesen. John Sinclair nicht, Suko ebenfalls nicht, wobei er sich noch mehr amüsiert hatte, und die anderen Kollegen waren auch mit Trauermienen herumgelaufen. Jeder wartete auf den Frühling und die Sonne. Es würde noch zwei, drei Tage dauern, bis es wieder wärmer wurde.
Glenda hatte die Füße hochgelegt. Sie merkte, wie ein wohliges Gefühl der Entspannung durch ihren Körper glitt, so daß sie es nicht schaffte, sich auf die Lektüre zu konzentrieren. Sie nahm noch die Lesebrille ab und wollte nur zwei, drei Minuten die Augen schließen, aber daraus wurde nichts.
Glenda schlief tief und fest ein. Sie merkte nicht einmal, daß ihr die Zeitschrift aus der Hand rutschte und mit einem hörbaren Klatschen zu Boden fiel. Der große Schlaf hatte sie übermannt, und dabei störte auch das Licht nicht.
Bis sie zusammenschrak.
Zugleich fuhr Glenda mit einem leisen Laut in die Höhe und schaute sich um wie eine Fremde. Etwas hatte sie geweckt, doch sie wußte nicht, was es gewesen war. Deshalb blieb sie zunächst im Sessel sitzen, um sich auf die Umgebung zu konzentrieren. Dazu gehörte auch ein Blick auf die Uhr.
Ihre Augen weiteten sich. Wenn sie richtig geschaut hatte, dann hatte sie zwei Stunden geschlafen.
Das wollte ihr nicht in den Kopf, aber die Uhr log nicht.
»Das Wetter«, flüsterte Glenda. »Das Wetter muß mir in den Knochen stecken.«
Noch immer fühlte sie sich müde, und die Glieder waren noch schwerer geworden, aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Dafür gähnte sie einige Male, wollte aufstehen, sich etwas zu trinken holen, aber die Klingel in der Wohnung schreckte sie auf.
Um diese Zeit noch.
Es war nach 22.00 Uhr, wie Glenda wußte. Sie konnte sich nicht vorstellen, wer sie um diese Zeit noch besuchte. Angemeldet jedenfalls hatte sich niemand.
Es schellte wieder.
Diesmal noch länger und fordernder. Glenda glaubte, daß sich hinter dem Klingeln etwas verbarg.
Als normal schätzte sie es nicht ein.
Nach dem vierten Klingeln war sie auf dem Weg zur Wohnungstür, und sie hörte auch schon die Stimme der Person, die vor der Tür draußen im Flur wartete.
»Wer ist denn da?«
»Ich bin's, Sharon Ambler.«
»Du?« Glenda wunderte sich. Die Amblers wohnten mit ihr zusammen in einem Haus, nur eine Etage über ihr. Sharon und Gordon Ambler hatten eine sechzehnjährige Tochter und führten ein ganz normales Leben, abgesehen davon, daß Gordon hin und wieder beruflich weg mußte. Er war ein Computer-Mensch und stellte bei Firmen die Programme ein.
Glenda öffnete.
Wieder erschrak sie, denn sie sah eine Nachbarin vor sich, die völlig aufgelöst war. Sharon hatte geweint, das war ihr deutlich anzusehen, und sie zitterte. Am Türpfosten stemmte sie sich mit einer Hand
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