1102 - Der letzte Mirvaner
lassen.
Ras trat dicht an die vier Höcker heran und begann, sie systematisch durchzutasten, wie einst gewisse Berufsgruppen es mit den Zahlenkombinationen der Safes getan hatten, wenn sie ihn ohne Kenntnis dieser Kombinationen zu öffnen versuchten.
Gucky entwich ein leicht verblüfftes: „Sieh mal einer an!", als der dritte Versuch das gewünschte Ergebnis brachte.
Jainchuchuman rührte sich nicht vom Fleck, als vor ihm eine quadratische Öffnung entstand, hinter der es zwielichtig und geheimnisvoll schimmerte. Noch weiter dahinter war undeutlich eine Wand zu erkennen, auf der sich ebenfalls ein quadratischer Rahmen mit vier Höckern an der rechten Seite abzeichnete. „Eine Schleuse", versicherte Ras und trat durch die Öffnung, von Gucky gefolgt. „Beeilt euch, sie wird sich gleich wieder schließen."
Kaum standen sie alle vier in der Kammer, die etwa zehn mal zehn Meter im Quadrat maß, da traf Ras' Prophezeiung ein. Die Außenluke schloß sich. Wenig später vernahmen sie durch die Außenmikrofone ihrer Helme das leise und dann immer lauter werdende Zischen einströmender Luft, welcher Zusammensetzung auch immer.
Ras ging langsam auf die zweite Wand zu, Gucky wieder hinter ihm her, wie ein Hund an der Leine. Während sich der Afrikaner die vier Höcker ansah und hoffte, sie würden ebenso funktionieren wie die äußeren vier, wurde Gucky durch die Gedanken ihrer beiden Begleiter abgelenkt.
Da stritten sich die beiden Völker seit unzähligen Generationen wegen dieser HAYSERKEIL, und nun, da sie unmittelbar vor der Lösung des Rätsels standen, wurden sie von einer unbeschreiblichen Scheu ergriffen, gegen die sie mit aller Macht ankämpfen mußten.
Hinzu kam die Tatsache, daß mit dem Wrack ein Mythos entstanden war, der religiöse Züge angenommen hatte. Damit erhob sich die nicht zu beantwortende Frage, ob man nicht dabei war, die eine oder andere Gottheit zu erzürnen.
War deshalb noch niemand aus der HAYSERKEIL zurückgekehrt?
Inzwischen hatte sich die Schleusenkammer mit Luft gefüllt, und Ras stellte an seinen Instrumenten im Innern des Anzugs fest, daß sie atembar war. Sie war mit der Zusammensetzung der Atmosphäre im Schiff der Zencen nahezu identisch.
Trotzdem ließ er den Helm noch geschlossen. „Es ist soweit", sagte er in den Translator. „Ich werde jetzt die Innenluke öffnen."
„Warte noch!" sagte Jainchuchuman hastig. Er wandte sich an die Sopkalaride: „Wir müssen unsere Waffen bereithalten, Freundin."
„Das tun wir schon, Freund!" erwiderte sie in neutralem Tonfall, aber Gucky las in ihren Gedanken schnippische Überlegenheit.
Er hoffte inbrünstig, daß ihnen noch einige Überraschungen bevorstanden.
Manchmal erfüllten sich ja Hoffnungen ...
*
Ras drückte die Höcker in der selben Reihenfolge ein wie vorher. Jetzt, da Luft in der Kammer war, konnte man deutlich das Brummen der Maschinerie vernehmen, die sich bemühte, die schwere Metallplatte aus der Verankerung zu lösen und beiseite zu schieben.
Das alles geschah mit nerventötender Langsamkeit.
An den Druckverhältnissen änderte sich nichts. Auch im Innern der HAYSERKEIL gab es eine Atmosphäre - erstaunlich für ein Wrack, an dessen Bord sich seit ungezählten Generationen kein Lebewesen mehr aufhalten sollte.
Daß diese Annahme falsch war, erwies sich innerhalb weniger Sekunden.
Ras und Gucky standen dicht vor der seitlich zurückweichenden Metallplatte, der Zence und die Sopkalaride einige Meter hinter ihnen, die Strahler in ihren unterschiedlich geformten Händen.
Niemand rührte sich, denn vor ihnen lag etwas, das sie niemals vermutet hätten - ein undurchdringlich erscheinender wilder tropischer Urwald! Amazonas...?
Sumatra ...? Kongo...?
Ras fühlte sich im ersten Augenblick in seine ursprüngliche Heimat zurückversetzt, so wie sie zu seiner Zeit noch teilweise ausgesehen hatte, nur daß statt der glühenden Sonne der Schein Dutzender kleiner künstlicher Sonnen durch das sich wölbende Dach der Zweige und Blätter fiel und bis zum Boden gelangte, der deutlich erkennbar aus fruchtbarem Humus bestand.
Der Mausbiber war absolut sprachlos, was nicht gerade häufig geschah, und starrte fassungslos auf die Szene. Er vergaß in diesem Moment nicht nur Jainchuchuman und Wech-Wech-Frogrout, sondern sogar, warum sie überhaupt hier waren.
Gleichzeitig spürte er, wie etwas versuchte, in sein Bewußtsein einzudringen, behutsam und vorsichtig -und zum Glück mit wenig Nachdruck. Seine mentale
Weitere Kostenlose Bücher