1102 - Der letzte Mirvaner
sie gefährlich?"
„Manche sind bewaffnet", mischte Wech-Wech-Frogrout sich ein, um die Initiative nicht nur ihrem ehemaligen Konkurrenten zu überlassen.
Ras ging ein paar Schritte weiter, bis er die verwachsene Kreuzung erreichte. Trotz der wild wuchernden Pflanzen war der Seitenpfad noch gut zu erkennen, man konnte sogar fast fünfzig Meter weit sehen.
Da kam er angerollt, fast mannshoch und mit einem schlanken Säulenkörper. Seine Tentakel schoben hinderliche Zweige und Äste beiseite, schnitten sie aber nicht ab, wie man es von einem ordentlichen Gärtner erwartet hätte.
Ein orangefarbenes und ovalförmiges Leuchten umgab ihn. „Der hat ein energetisches Feld!" Ras schüttelte den Kopf. „Wozu denn das?"
„Schutzschirm!" vermutete Gucky. „Gegen Angriffe der Vegetation."
„Hoffentlich nicht unseretwegen", knurrte Ras und trat einen Schritt zurück, denn der Roboter näherte sich unaufhaltsam.
Entweder verfügte er über ein selbständiges Steuersystem, oder er wurde von einer Schaltzentrale aus ferngelenkt Als er die kleine Kreuzung erreichte, fuhr er weder langsamer noch schneller, schob wie bisher in den Weg wachsende Hindernisse schonungsvoll beiseite, ignorierte den nicht zu übersehenden Ras - und rollte auf seinen Raupen weiter. Bald war er zwischen dem dominierenden Grün verschwunden. „Wenn sie programmiert sind, dann noch von den Mirvanern", vermutete Jainchuchuman. „Wer weiß, wie lange sie schon in der HAYSER-KEIL sind ..."
„Wir müssen weiter!" mahnte Ras. Nach der nächsten Kreuzung fiel das Gelände um mehr als dreißig Grad ab. Praktisch standen sie vor einer Senke, deren Horizont sich in weiter Ferne im Dunst verlor. Sie blickten nun über die Baumwipfel hinweg, und die Illusion einer unendlich weiten Landschaft war so vollkommen, daß man glauben konnte, auf der Oberfläche eines unbewohnten Planeten zu stehen, nicht aber in einem Raumschiff. „Der Horizont kann nicht mehr als vierhundert Meter entfernt sein", rechnete Ras aus. „Wenn wir weitergehen, gelangen wir vielleicht in tiefer gelegene Etagen der HAYSERKEIL.
Empfängst du noch Impulse, Gucky?"
„Von unten", bestätigte der Mausbiber. „Sie sind aber auch hier oben, überall hier oben um uns herum. Schwach, aber vorhanden."
„Die von unten sind stärker?"
„Deutlich, Ras!"
Während der Unterhaltung hatten sie nicht auf Jainchuchuman geachtet, dessen Unternehmungsgeist einen ungeahnten Aufschwung genommen hatte. Gucky war vorgegangen und stand nun neben Ras, als hinter ihm Wech-Wech-Frogrout sagte: „Wo ist denn der Zence geblieben?" Ras und Gucky drehten sich erschrocken um.
Jainchuchuman war verschwunden.
*
Es war ein wunderbarer Wohlgeruch, der Jainchuchuman plötzlich alle Vorsicht vergessen ließ. Obwohl kein Windhauch zu spüren war, drang er von rechts kommend in sein Riechorgan und wirkte wie ein Narkotikum.
Ein unwiderstehlicher Zwang befahl ihm, geräuschlos ein paar Schritte zurückzugehen und in den Dschungel einzudringen. Die Zweige mit den dicken Blättern wichen vor ihm zurück und gaben selbst da einen Weg frei, wo überhaupt keiner war. Der Boden war fest und trug den schweren Zencen leicht.
Vor ihm tat sich eine Lichtung auf, in deren Mitte eine in allen Farben schillernde Blume blühte, die den wunderbaren Wohlgeruch verströmte. Sie wuchs aus einem grünen Blätterkranz hervor, der mit der Unterseite flach auf dem Waldboden lag und die Wurzeln schützte.
Jainchuchuman näherte sich ohne Zögern und völlig bedenkenlos der seltsamen Riesenpflanze, um den Duft noch konzentrierter genießen zu können, dabei umnebelte sich sein Gehirn immer mehr. Er war wie hypnotisiert. Dicht neben der blühenden Pflanze wuchs eine zweite, ebenso große und von der gleichen Art, nur war ihre Blüte bereits vertrocknet.
Statt ihrer hing ein zwei Meter langer Samensack an dem armdicken Stengel. „Der Samen!" dachte Jainchuchuman laut und voller Begeisterung. „Ich muß den Samen haben und diese Pflanze züchten. Ich brauche den Duft ihrer Blüte zum Meditieren!" Er durchsuchte seine Taschen und fand einen Beutel, in dem er sonst seine Nahrungsraupen mit sich herumschleppte. Die letzte hatte er schon längst verspeist. „Das ganze Volk wird mich um den Duft beneiden!"
Er strebte auf den Samensack zu und kam dicht an der herrlichen Blüte der zuerst entdeckten Pflanze vorbei. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, blieb stehen, näherte sich ihr und sog ihren Duft tief in sich
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