1103 - Aussenseiter der Armada
zu verteidigen und allen, die meinen Status nicht erkennen, die Umstände zu erläutern."
„Das werde ich tun."
*
Ich nannte ihn Ürkan.
Es war ein Wort aus der Ursprache der Helkiden (also kein Armada-Slang) und bedeutete so viel wie Diener oder Beschützer. Ich hatte es, wie viele andere Vokabeln auch, zu einer Zeit gelernt, als ich immer wieder versuchte, bei meinem eigenen Volk Aufnahme zu finden.
Mit diesen Erlebnissen verknüpften sich bittere Erinnerungen, aber sie vermittelten mir auch die Grundlagen jener Erfahrungen, die ich beim Kampf ums Überleben dringend benötigte.
Meine Jugend war geprägt von der Verachtung der eigenen Artgenossen; sie hatte mich stark gemacht für eine Existenz als Außenseiter auch unter Fremden. Damals, als Leute mit den gleichen Ahnen wie ich mich verstießen und selbst meine Eltern sich vor mir versteckten, lernte ich Abneigung und Haß kennen, Verleumdung, Einsamkeit und Angst - aber auch meine Unbeugsamkeit, die Selbstachtung und den Stolz.
Im Gesamtverband der Endlosen Armada stellten die Helkiden nur knapp 1000 Raumschiffe, was sich im Vergleich geradezu lächerlich gering ausnahm. Vielleicht war das die Ursache, daß sie ihre Traditionen mehr als andere pflegten. Zu diesen Traditionen gehörte auch die Muttersprache. Als ich seinerzeit aufbrach, um als Heimatloser mein Leben zu erhalten, hatte ich mir daher einen recht passablen Wortschatz sowohl im Armada-Slang als auch im Helkidischen angeeignet.
Letzteres kam mir bei anderen Völkern natürlich nie zustatten, doch griff ich, aus einer unbegründeten Sentimentalität heraus, immer wieder einmal darauf zurück. Deshalb taufte ich den Roboter Ürkan.
Sogar für den Armadaschlepper, den ich in Besitz nehmen wollte, hatte ich mir bereits einen Namen ausgedacht: Freiheit - oder Helkidisch: Zutäk.
Ich verstand es symbolisch und wollte damit die Freiheit bezeichnet wissen, ungehindert überall hingelangen zu können.
Armadaschlepper waren nichts anderes als unterschiedlich große Goon-Blöcke, also Antriebsmechanismen. Im Bereich der Armada wimmelte es von ihnen, viele flogen frei herum und wurden nur bei Bedarf angefordert. Wenn ich erst gelernt hatte, einen zu steuern, konnte ich deshalb völlig unverdächtig im Weltraum manövrieren, wie ich nur wollte. Bisher lediglich auf den 'Raumanzug angewiesen, eröffneten sich daraus für meine Zukunft gänzlich neue Perspektiven.
Aber noch war es nicht soweit. Eine Hürde mußte ich noch nehmen, und die erwies sich als gefährlicher, als ich nach Farslyinas Schilderung annahm.
Sie hatte es gut gemeint, gewiß, aber sicher hätte sie mir die Schleuse 23-9-53 nicht empfohlen, wenn sie gewußt hätte, wie stark dieser Ausstieg frequentiert wurde.
Ich merkte es, als immer lauteres Stimmengewirr in den Wartungskorridor drang, den Ürkan und ich benutzten. Bisher waren wir ungehindert vorangekommen, aber dort vorn, in dem Quergang, von dem die Schleusen abzweigten, herrschte reger Betrieb. Kolkoks, die ihre Schlafetappe beendet hatten, wurden von Armadamonteuren zu den Schiffen geleitet, die für sie bereitstanden; andere wurden in Empfang genommen und in die einzelnen Schlafstockbereiche dirigiert. Von weitem wirkte das wie ein heilloses Durcheinander, und es spielte sich genau dort ab, wo ich hin mußte.
Ich lehnte mich gegen die Wand und holte tief Luft. Nachdem ich angenommen hatte, der von Farslyina empfohlene Weg sei ohne große Schwierigkeiten zu meistern, mußte ich mich jetzt erst einmal sammeln und auf die neuen Gegebenheiten innerlich einstellen. Das gelang mir allerdings sehr schnell, denn beim Eindringen in die Boje hatte ich schließlich ähnliche Verhältnisse vorgefunden. Sie waren durchaus überwindbar. „23-9-53 ...", sprach ich Ürkan ah, der abwartend vor mir schwebte. „Ist das eine Schiff- oder eine Personenschleuse?"
„Eine Personenschleuse."
„Traust du dir zu, sie durch einen Funkimpuls zu öffnen, bevor wir bei ihr angelangt sind?"
„Realisierbar", bestätigte er in seiner knappen Art. „Und zu schließen, sobald wir das Schott passiert haben?"
„Ebenfalls realisierbar."
Ich erläuterte ihm den Plan, den ich mir in aller Eile ausgedacht hatte. Ich mußte den Überraschungseffekt nutzen und zudem darauf hoffen, daß Ürkans Störung sich nicht auch bei der Aussendung von kodierten Funkimpulsen bemerkbar machte. Mehrfach versicherte er, es sei für ihn kein Problem, die Schleuse ferngesteuert zu bedienen, außerdem werde er
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