1105 - Glendas Totenhemd
das kann ich dir schwören. Ihr seid zu mir gekommen und nicht umgekehrt. Ich hasse es, wenn man hier herumschnüffelt, und ich werde dir schon beweisen, wo es langgeht.«
Sie hatte dem bewußtlosen Geisterjäger den Rücken zugewandt und näherte sich Glenda. Ihre Blicke glitten dabei an der Gestalt der Sekretärin herab. Danach blieb sie stehen. Sie atmete heftig, aber sie lächelte auch. »Du siehst gut aus, Glenda, wirklich. Alle Achtung. Dich hat mir das Schicksal geschickt. Wäre ich fromm, hätte ich sogar den Himmel damit gemeint.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Daß ich dich ausgesucht habe.«
Glenda ahnte natürlich etwas, hielt sich jedoch zurück und fragte leise: »Wozu ausgesucht?«
»Für das Kleid. Ja, du darfst als nächste das Kleid tragen. Das ist doch was, oder?«
Glenda Herz schlug schneller. Sofort dachte sie an das Schicksal der drei anderen Personen, die das Kleid getragen hatten und verbrannt waren. Sie würde die vierte sein, und sie schüttelte den Kopf.
»Nein, das geht nicht.«
»Warum denn nicht?«
Glenda erinnerte sich, was die Person gesagt hatte. Daß sie nicht würdig wäre, und genau auf diesen Zug sprang Glenda auf. »Es tut mir leid, aber ich bin nicht würdig.«
»Das weiß ich oder nehme es jedenfalls an. Trotzdem wirst du in das Kleid hineinsteigen.«
Es war die Wahrheit, es war Isabellas Vorhaben, und erst jetzt schoß Glenda das Blut in den Kopf.
Wieder beschleunigte sich ihr Puls, und sie hatte das Gefühl, in einem Eisklotz zu stecken. Isabella ließ ihr die Zeit, darüber nachzudenken. Sie sagte nichts, doch ihr Kichern war unüberhörbar. Gelassen zielte sie mit der Waffe auf Glenda, die versuchte, die Gefühle unter Kontrolle zu halten, was ihr nur schwer gelang.
Das merkte auch Isabella. Sie freute sich. Ein hartes Lachen drang aus ihrem Mund. »Obwohl ich nicht würdig gewesen bin, das Kleid zu tragen, hat es mich nicht verbrannt. Es muß einfach irgend etwas in mir sein, das es stört. Aber für dich wird das Kleid zu einem Totenhemd werden, und ich weiß, daß es dich vernichten wird. Anschließend werde ich deine Asche unten in den alten Ofen werfen, wo auch die anderen Reste liegen. Danach kümmere ich mich um deinen verdammten Kollegen. Für ihn reicht eine Kugel.«
Glenda sagte nichts. Sie brauchte nur in die Augen der Frau zu sehen, um zu wissen, daß es ihr ernst war. Isabella verstand keinen Spaß. Sie war grausam, sie war kalt, und sie kannte nur ihr großes Ziel.
Glenda Perkins war eine normale Frau, doch sie hatte es gelernt, auch in unnormalen Situationen kühlen Kopf zu bewahren. Sie drehte nicht durch, sie schrie nicht, sie dachte einfach nur nach und gelangte zu dem Schluß, daß sie ihrem Schicksal nicht entrinnen würde. Aber es gab auch den Faktor Zeit, und den wollte sie ausspielen. Isabella mußte hingehalten werden, dann konnte es sein, daß John aus seiner Bewußtlosigkeit erwachte und eingriff. Er war jemand, der die Tricks beherrschte, und er würde sich keine Blöße geben.
»Was ist, wenn ich mich weigere?«
Isabella glaubte, sich verhört zu haben. »Weigern?« sprach sie staunend. »Du willst dich weigern?«
»Ich hasse das Kleid!«
Isabella öffnete den Mund, lachte aber nicht, sondern zischte ihr den Atem entgegen. »Du kannst dich natürlich weigern«, sagte sie und hob die Waffe etwas höher. »Dann aber schieße ich dir die Kugel genau zwischen die Augen. Verlaß dich darauf, daß ich mit einem 38er Smith & Wesson umgehen kann.«
»Ja, das glaube ich.«
»Sehr gut. Also - entscheide dich!«
»Ich habe keine Wahl.«
Isabella hatte ihren Spaß. »Doch, die hast du. Es kann ja sein, daß dir das Glück zur Seite steht, Glenda. Probier das Kleid an. Es wird dir passen. Das Totenhemd ist ein Diener der Menschen. Es schmiegt sich jeder Figur oder Gestalt an. Es wirkt auf Körper, und es ist einfach wunderbar.«
Glenda wußte nicht mehr, was sie sagen sollte. Sie hatte keinen Funken Hoffnung mehr. Aber sie wollte nicht zu Asche werden, nicht im Totenhemd verbrennen, und ihr fiel wieder ein, was Isabella auf ihrer Reise erlebt hatte. Unter Umständen reagierte das Kleid bei ihr ebenso, obwohl es dafür keinen logischen Grund gab.
Isabella zielte auf Glendas Kopf. »Wie hast du dich entschieden? Kleid oder Kugel?«
Die Antwort fiel ihr nicht leicht, und Glenda preßte sie hervor. »Ich nehme das Kleid!«
»Wunderbar. So habe ich es mir vorgestellt. Das ist mehr als gut. Im Ofen unten ist noch genügend Platz für
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