1109 - Hexenspiele
der Wagen aufgefallen, der nur ein paar Meter weiter am Rand des Gehsteigs stand und unbeleuchtet war.
Er blieb stehen.
Shao wunderte sich. »Hältst du den Wagen für verdächtig?«
»Keine Ahnung. Wir können ihn uns ja mal anschauen.«
Sie warf ihm nur einen Blick zu, sagte aber nichts. Der Hauseingang lag im kalten Licht einer Außenleuchte. Wenn sie ihn passierten, bewegten sie sich an einer Hausseite vorbei, an der es keine Geschäfte gab. Dafür Balkone, wobei die unteren so tief lagen, daß man bequem einsteigen konnte.
Den Wagen hatten sie hinter sich gelassen. Suko hatte nur einen kurzen Blick hineingeworfen, aber keine Person darin gesehen. Er war einfach nur abgestellt worden.
Die Balkontür stand offen. Da es in der Umgebung still war, hörten beide die Stimmen aus der Wohnung.
Frauenstimmen…
Da normal laut gesprochen wurde, konnten sie auch verstehen, was da passierte. Es war keine normale Unterhaltung, das stellten Shao und Suko rasch fest.
»Willst du unterschreiben?«
»Nein.«
»Aber du hast es versprochen«, sagte eine andere Stimme.
»Ja, ich weiß.«
»Dann tu es endlich. Es ist dein Seelenheil. Dein Scheck für die Zukunft.«
»Ich habe es mir überlegt.«
Lachen. Scharf und schrill. »Nein, so haben wir nicht gewettet. Du hast zugestimmt. Du hast dich unserem Kreis anschließen wollen, und wir werden dich nicht davon befreien.«
»Das war doch nicht… das war doch nur…«
»Du gehörst zu uns. Zu Lara und zu mir.«
»Nein.«
»Doch. Wir nehmen dich mit. Du wolltest dein verdammtes Leben doch verändern. Wir haben lange genug darüber gesprochen. Und heute nacht ist es soweit.«
Shao und Suko schauten sich an. Sie waren beide bis in den Schatten des Balkons getreten, und als sie sprachen, flüsterten sie nur miteinander.
»Ich werde nachsehen, Shao. Was da passiert, kann man nicht als normal ansehen.«
»Willst du dich wirklich einmischen?«
»Ja.«
»Was hat das denn mit dem Tod dieser Rosy Welch zu tun?«
»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht hat es auch nichts damit zu tun. Mir gefällt die Unterhaltung der drei Frauen nicht. Da hörte sich vieles nach Zwang und Nötigung an.«
»Gut, und was mache ich?«
Suko lächelte kurz. »Du wartest hier und hältst die Augen offen. Achte besonders auf den kleinen Transporter da. Er steht sehr günstig. Schon ideal für eine schnelle Flucht.«
»Glaubst du, daß er zu diesen Frauen gehört?«
»Ja, damit rechne ich.«
Shao sagte nichts mehr. Sie schaute nur zu, wie ihr Freund die Arme in die Höhe reckte und den Rand der Balkonbrüstung umklammerte. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog er sich hoch und schwang sich über das Geländer hinweg.
Shao gefiel die Entwicklung überhaupt nicht…
***
Lou Gannon saß im Fahrerhaus des Lieferwagens und nagte an seiner Unterlippe. Er war der Wächter, der Aufpasser. Er war derjenige, der den anderen beiden den Rücken frei hielt und dann eingreifen würde, wenn es gefährlich wurde.
Gannon war ein Mann, der kleine Kinder und nicht nur die aufgrund seines Aussehens erschrecken konnte. Sein Körper war glatt, er war haarlos wie der Kopf. Hinzu kam das glatte Gesicht, in dem kein einziges Barthaar auffiel. Er wirkte wie eine Kunstfigur, die jemand aus geschliffenem Stein hergestellt hatte. Ein Roboter ohne Gefühl, aber kein Mensch. Seine Augenbrauen bildeten nur zwei blasse Striche über den Pupillen, die Ähnlichkeit mit der kalten und nichtssagenden Farbe von Kieselsteinen aufwiesen. Das Kinn war klein und wirkte weich, weil es etwas abflachte. Ein kleiner Mund, der eher zu einer Frau mit Puppengesicht gepaßt hätte, fiel ebenfalls in seinem Gesicht auf wie auch die im Verhältnis zum Kopf sehr großen Ohren.
Gannon wartete. Er trug eine dunkle Hose und ein graues, hüftlanges Hemd. Hände mit dicken Fingern schauten aus den Ärmeln hervor. Der Stoff der Hose spannte sich eng um seine muskulösen Beine. Wäre das Hemd nicht so weit geschnitten gewesen, hätten sich unter dem Stoff auch kräftige Armmuskeln abgezeichnet.
Er hatte alles im Blick. Die Außenspiegel waren so eingestellt worden, daß er die beiden Seiten den schmalen Gehsteig und die Straße - beobachten konnte. Er sah auch die Reklame der Kneipe, aber dort war nichts los. In der letzten Viertelstunde hatte kein Gast den Pub verlassen, und es war auch keiner eingetreten.
Es lief alles gut in dieser Nacht. Er und seine beiden Partnerinnen konnten zufrieden sein. Zuerst war er skeptisch gewesen, denn er hatte die
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