1109 - Hexenspiele
Menschen als widerstandsfähiger eingestuft, doch Lara und Melissa war es wohl gelungen, einige davon zu überzeugen, daß ihr normales Leben nichts mehr brachte und man es radikal ändern mußte, um sich andere Ziele zu suchen.
Ja, die beiden waren raffiniert. Sie kannten die Einsamkeit der Menschen in den herzlosen Neubauten der Siedlungen, in denen die Bewohner nebeneinander her lebten.
In diesen Häusern fielen ihre beschwörenden Worte auf fruchtbaren Boden. Und wieder standen sie vor einem großen Erfolg. Sie würden den Kreis erweitern und sich der Dankbarkeit des Teufels gewiß sein können.
Gannon rührte sich nicht. Er schien nicht einmal zu atmen. Er saß einfach nur da und wartete. Länger als eine halbe Stunde würden die beiden nicht brauchen, das jedenfalls hatten sie ihm gesagt, und er war gespannt, ob sie dieses Limit einhielten.
Ein Teil der Zeit war bereits verstrichen. Getan hatte sich nichts. Er hatte nur gesehen, wie Melissa auf die Balkontür zugegangen war und sie geöffnet hatte.
Für Lou ein gutes Zeichen.
Er knetete die Hände mit den kurzen Fingern. Eine alte Angewohnheit aus seiner Wrestling-Zeit, als er sich noch mit anderen Catchern durch die Ringe geschlagen hatte. Es waren drei gute Jahre gewesen. Er hatte auch Geld verdient, obwohl er nicht zur Spitze gehört hatte. Das lag hinter ihm, nachdem er sich entschlossen hatte, den anderen Weg zu gehen, um hineinzugleiten in eine neue Existenz, in der er und die beiden Frauen sich wohl fühlten. Sie würden es schaffen. Es würde ihnen gelingen, das Tor zu öffnen, um einen Blick in die Welt hineinzuwerfen, die den Menschen verschlossen blieb.
Der Blick in die Hölle!
Konnte es etwas Schöneres geben, für das man lebte? Etwas zu tun, was anderen nicht möglich und nur Auserwählten vergönnt war? Er jedenfalls war glücklich, und als er an die langen Nächte dachte und daran, wie sich alles verändert hatte, da war ihm klargeworden, daß sie dicht vor dem Tor standen und es einfach nur noch aufzustoßen brauchten, wenn die Bedingungen erfüllt wurden.
Melissa und Lara waren nahe daran. In dieser Nacht würden sie wieder einen gewaltigen Schritt nach vorn kommen, dafür sah er sie an. Sie hatten bisher alles erreicht, was sie wollten, und sich auch noch ihrer Freundin Rosy entledigt, die den Weg nicht mehr mit ihnen hatte gehen wollen.
Gannon kicherte, als er daran dachte. Es mußte ein spektakulärer Tod gewesen sein, wenn ein Auto plötzlich in die Luft flog und es von einem Flammenball umgeben war. Ein schneller und ein brutaler Tod, den sich manch Schwerkranker sicherlich gewünscht hätte.
Er schaute wieder in die Spiegel.
Alles okay.
Keine Menschen, die sich seinem Fahrzeug näherten. Hin und wieder fuhr ein Auto vorbei, um auf einem der Parkplätze abgestellt zu werden. Das war auch alles. Ansonsten wirkte die gesamte Umgebung wie ausgestorben.
Er parkte an der rechten Seite. Der Balkon, dessen Tür offenstand, lag ebenfalls auf dieser Ebene.
Lara und Melissa hatten jedoch geklingelt und die Wohnung auf dem normalen Weg betreten. Außerdem waren sie von der Mieterin erwartet worden.
Der nächste Blick.
Keine Veränderung.
Lou Gannon seufzte auf und öffnete die beiden obersten Knöpfe seines Hemds. Die Finger glitten über die blanke Brust hinweg, deren Haut sich fast anfühlte wie Marmor. Sie verharrten an einer Stelle dicht unter dem Hals, an der sich die Tätowierung abzeichnete und nicht nur zu sehen, sondern auch zu fühlen war.
Da Gannon vor keinem Spiegel stand, konnte er sie nicht sehen und nur fühlen.
Sehr sanft, als wären es die streichelnden Hände einer Frau bewegte er seine Fingerkuppen über das hinweg, das sich auf seiner Brust abmalte. Es war ein dreieckiger Kopf. Hörner standen von der Stirn ab. Der Schädel selbst war mit einem Mund versehen worden, aus dem eine Zunge schlug, deren Spitze eingerollt war.
Lou Gannon schloß die Augen, um die Berührung genießen zu können. Er wollte den Kontakt, denn wenn er die Fratze des Teufels nachzeichnete, dann erlebte er in seinem Kopf die besten Vorstellungen. Wahnsinnige Pläne bauten sich auf. Er kam sich vor wie vor dem Höllentor stehend, das er nur noch aufzustoßen brauchte. Er hatte das Gefühl, den Atem der Unterwelt zu spüren, der wie weicher Wind über seinen Körper hinwegstrich und doch so warm war, beinahe heiß, schon mit einem ätzenden Geruch versehen.
Die Hölle der Teufel war so nah. So herrlich nah. Er brauchte nur zuzugreifen und
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