1111 - Der Maskenmann
Grund produzierte keine weiteren Kugeln mehr, es reichte.
Melody schüttelte den Kopf und holte wieder Atem. Das Leben kehrte wieder zurück in ihren Körper, aber sie merkte auch den Druck in ihrem Magen. Er war da und fraß mit seinen unsichtbaren, aber scharfen Zähnen.
Ein blutiges Rot. Ja, Blutkugeln. Kugeln aus einer Masse, die wie Blut aussah, das jemand verloren hatte. Dabei dachte sie wieder an ihren verschwundenen Freund, der sich verletzt haben konnte und es sogar möglich gewesen wäre, daß sich sein Blut zu Kugeln hatte formen können, die in die Höhe stiegen.
Ein verrückter Gedanke, wie sie selbst zugab, aber diese Welt war für sie nicht mehr normal. Sie war eben verrückt und auch so schrecklich grausam.
Eigentlich hätte sie schon längst auf dem Weg zur Polizei sei müssen. Aber sie konnte nicht weg.
Der See oder seine geheimnisvolle Tiefe hatten ihr etwas zu sagen und ihr durch die Kugeln auch eine Botschaft geschickt.
Daß sie nicht aus Glas waren, stand für sie fest. Sie waren auch nicht unbedingt als hart zu bezeichnen. Melody dachte eher an eine weiche Masse, und bei diesem Gedanken lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken.
Eine Kugel rollte vor.
Ihr Weg führte ans Ufer. Sie ließ sich auch nicht aufhalten, als hätte sie einen Stoß aus dem Unsichtbaren erhalten. Diese Kugel rollte über die Wasserfläche auf das Ufer zu und visierte genau die Stelle an, an der Melody stand.
Sie konnte es nicht fassen. Sie kam sich vor, als sollte sie Besuch bekommen. Die Kugel bewegte sich weiter. Sie rollte und wurde zugleich geschoben. Sie geriet in seichtes Gewässer. Da sie ein wenig eingesunken war, schrammte sie sehr bald über die dünne Sandschicht hinweg, auf der Melody stand.
Noch ein letzter Schub, und die Kugel berührte ihre nassen Fußspitzen. Melody tat nichts. Sie schaute nur nach unten. Sie wußte, was die Kugel wollte. Grundlos war sie nicht herbeigeschafft worden. Wahrscheinlich wollte sie, daß sich, Melody bückte, sie anhob und dann wieder zurück ins Wasser schleuderte oder sie sogar mitnahm.
Das tat sie zunächst nicht. Es hätte sie eine zu große Überwindung gekostet. Sie wollte die Kugel nicht anfassen. Sie ekelte sich vor dem Schleim, dem Schlick, und…
Sie holte mit dem rechten Bein aus.
Stieß es dann vor und kickte leicht gegen die Kugel.
Sehr deutlich spürte sie Widerstand. Er war weich. Sie konnte die Kugel eintreten, aber die Delle, die sie geschaffen hatte, blieb nicht. Von innen her beulte sich die Kugel wieder aus und nahm die normale Form an.
Melody wußte nicht, was sie dazu sagen sollte. Es war einfach das Unmögliche, der Schrecken an sich, den sie hier erlebte, und das, obwohl ihr niemand etwas zuleide getan hatte.
Die Kugel, die Melody angetreten hatte, blieb vor ihren Füßen liegen. Andere waren nicht angeschwemmt worden. Nur die eine Kugel lag in der Nähe. Sie schien nur darauf zu warten, daß etwas mit ihr passierte, aber die junge Frau traute sich noch nicht. Sie zitterte, sie zögerte, sie schaute wieder nach unten - und riß den Mund auf, ohne zu schreien, weil sie gleichzeitig erstarrt war.
Jetzt war die Kugel weitergerollt.
Nur ein winziges Stück, das allerdings ausgereicht hatte, um ihre Füße zu erreichen. Die Berührung war zu spüren, dann rollte die Kugel vor. Sie merkte den Ruck an den Zehen, und einen Moment später hatte die Kugel ihre Füße erreicht.
Sie rollte auf sie hinauf.
Melody wußte nicht, was hier passierte. Die Gesetze der Physik waren auf den Kopf gestellt worden, denn die Kugel kümmerte sich nicht um die Gravitation. Sie rollte an ihren dicht zusammenstehenden Beinen in die Höhe.
Durch den dünnen Stoff der Hose spürte Melody die Berührung an ihren Beinen. Es war kein harter Widerstand, der da über ihre Schienbeine rollte. Eher weich und puddinghaft, doch nicht eben angenehm. Melody tat nichts. Sie starrte nach unten und verfolgte den Weg der Kugel in die Höhe.
Für sie war das runde Ding zu einem lebendigen Wesen geworden. So etwas paßte einfach nicht in die Natur hinein, und trotzdem war es vorhanden. Hier hatte sich etwas entwickelt, das nur mit einem Fehlverhalten der Evolution zu erklären war.
Irgendwo in der Tiefe des düsteren Sees mußte etwas lauern, das die Grenzen des menschlichen Begriffsvermögens sprengte. Zumindest ihre.
Die Kugel wanderte höher und erreichte bereits ihre Oberschenkel. Hier war die Haut empfindlicher, und Melody spürte die Berührung intensiver. Ihr
Weitere Kostenlose Bücher