1111 - Der Maskenmann
Sees emporquollen. Das heißt, sie bewegten sich schon in Ufernähe. Das Wasser wölbte sich an verschiedenen Stellen. Die dünne Haut spannte sich so stark, bis sie schließlich platzte, und so waren auch die blubbernden Geräusche zu erklären.
Gase stiegen hoch. Etwas mußte auf dem Grund liegen und faulen. Dabei produzierte es die Blasen, die sich dann in die Höhe schoben und erst an der Oberfläche zerplatzten.
Der See war eine kleine Welt für sich. Ein Biotop, das sich entwickeln konnte und sich auch entwickelt hatte. Wie es auf dem Grund aussah, das wußte Melody nicht. Sie konnte sich allerdings vorstellen, daß in der dunklen Tiefe so einiges lag, das vor sich hinmoderte, verfaulte, wobei chemische Prozesse entstanden, die eben diese Gase produzierten und sie nach oben steigen ließ.
Es war im Laufe der Zeit viel in den See hineingefallen und auch hineingeworfen worden. Müll, Abfall. Produziert von Menschenhand. Doch auch die Natur sorgte immer wieder dafür, daß das, was durch den Sturm an den Ufern zerstört wurde, in den See hineinrutschte. Angefangen von abgestorbenen Blättern, kleinen Ästen, Zweigen, bis hin zu Bäumen, die von einem Orkan umgerissen worden waren.
Sosehr dies auch den Tatsachen entsprechen konnte, Melody weigerte sich in diesen schrecklich langen Minuten, daran zu glauben. Sie konnte sich einen anderen Grund immer heftiger vorstellen, ohne allerdings etwas Genaues zu wissen.
So blieb ihr nichts anderes übrig, als auf das Wasser zu schauen und abzuwarten.
Etwa vier, fünf Meter vom Ufer entfernt sah sie die Blasen in die Höhe steigen. Dort war der See bereits so tief, daß auch ein übergroßer Mensch nicht mehr hätte stehen können, ohne unterzugehen.
Die Blasen waren unterschiedlich groß. Mal quollen sie regelrecht auf, so daß ihre Haut sehr dünn wurde, dann wieder platzen sie sofort nach dem Erscheinen auseinander.
Das war nicht die Luft ihres Freundes, die aus seinem offenen Mund drang, während er tot im Schlamm lag. Die Blasen mußten eine andere Ursache haben, und Melody spürte plötzlich, wie sie diese verdammten Dinger haßte.
Sie wurde hier vorgeführt von irgendwelchen Kräften, die sie nicht beeinflussen konnte. Da unten passierte etwas. Der See lebte. Er brachte Teile seines Geheimnisses an die Oberfläche, ohne sich allerdings völlig zu öffnen.
Während der letzte Schein der untergehenden Sonne über die Wasserfläche kroch und sich wie eine sanfte Gardine darauf legte, wirkte das Wasser auf Melody plötzlich verändert.
Es war heller geworden. Schon gläsern, so daß ihr auch ein gewisser Durchblick gestattet wurde.
Dann sah sie die neuen Blasen.
Nein, ein Irrtum, es waren keine Blasen. Was da vom Grund her nach oben gestiegen war, hatte zwar eine runde Form, doch mit Blasen hatten diese Gegenstände nichts zu tun. Sie drückten sich auch nicht hoch und zerplatzten, sondern blieben noch dicht unter der Oberfläche, wo sie sich allerdings recht deutlich abzeichneten.
Melody sah sich gezwungen, genauer hinzuschauen. Die Blasen interessierten sie nicht mehr. Jetzt waren nur die Kugeln wichtig, die sich noch nicht auf die Oberfläche gelegt hatten, sondern in verschiedenen Höhen darunter hinwegschwammen.
Dunkle Kugeln, aber nicht schwarz.
Die junge Frau vergaß ihren Freund. Sie ahnte, daß sie Zeugin eines Vorgangs wurde, für den sie keine Erklärung hatte. Zumindest keine rationale. Es gab keinen Sturm und auch keine Strömungen vom Grund her, die für das Aufsteigen dieser seltsamen Kugeln gesorgt hätten.
Schwarze Hölle?
Nicht ganz, denn als die ersten beiden unterschiedlich großen die Oberfläche durchstießen, und auf ihr schwammen, da erst erkannte Melody ihre wahre Farbe.
Sie waren rot.
Tiefrot, und sie waren auch nicht durchsichtig, sondern von dieser roten Farbe durchdrungen. Kleine, rote Bälle, die ein Kind irgendwann in das Wasser geworfen hatte und die nun wieder an die Oberfläche stiegen.
Das wäre eine Erklärung gewesen, an die Melody nicht so recht glauben konnte. Sie fühlte sich wie in einem engen Käfig stehend, der sie von allen Seiten umschloß und ihr nur die Chance gab, nach vorn zu schauen.
Kugel für Kugel tauchte auf.
Es waren inzwischen vier, die auf der Oberfläche schaukelten. Es hatten sich keine Wellen gebildet, sondern Ringe, die sich verteilten und auch ihre Fußspitzen erreichten. Die Kugeln tanzten auf und nieder, doch keine von ihnen fand den Weg zum Grund. Unter ihnen blieb das Wasser normal. Der
Weitere Kostenlose Bücher