1113 - Die Fratzen der Fresser
noch lange Treppenfluchten hochsteigen zu müssen.
Im Flur machte sie Licht. Wie immer roch es nach Seife. Alles wirkte sauber. Dafür sorgte schon ihre Nachbarin, deren Wohnung ebenfalls im unteren Bereich lag.
Kate mußte sich nach links wenden. Mit schleppenden Schritten ging sie auf die Tür zu. Sie hatte Blei in den Knochen. Sie fühlte sich erschöpft. Ihr Gesicht war erhitzt, und sie kam sich vor wie ein Mensch, der unter Fieber leidet.
Sie schloß die Tür auf und war froh, daß es ihr beim ersten Mal gelang. So leise wie möglich trat sie über die Schwelle. Auf keinen Fall wollte sie ihren Mann wecken, um seinen Fragen aus dem Weg zu gehen.
Im Flur hatte sich noch die Wärme des Tages gehalten. Wie bestimmt auch in den übrigen Räumen.
Sie machte Licht und sah sofort, daß die Tür zum Schlafzimmer nicht geschlossen war.
»Kate…?«
Die müde klingende Stimme ihres Mannes drang aus dem Schlafzimmer an ihre Ohren.
»Ich bin da.«
»Gut, endlich. War es schön?«
»Es ging.«
»Dann komm gleich ins Bett.«
»Klar.« Kate war froh, daß ihrem Mann nicht der fremde Klang der Stimme aufgefallen war. Sie selbst hatte ihn so eingeschätzt, und noch immer fühlte sie sich wie gerädert.
Sie betrat das Bad. Hier war das Licht so hell, daß sie sich davon gestört fühlte. Mit zwei kleinen Schritten hatte sie das türkisfarbene Waschbecken erreicht und stützte sich dort ab. An der Wand hing der Spiegel. Sie schaute hinein und erschrak über ihren Gesichtsausdruck.
Der war nicht mehr normal. Sie sah erschöpft aus. Zudem schweißnaß. Gezeichnet von dem, was sie hinter sich hatte. Ränder unter den Augen und eine Haut, die sehr alt und müde aussah. Sie mußte sich zudem am Rand des Waschbeckens festhalten, weil ihr wieder schwindelig wurde. Sie wollte die Bluse abstreifen und sich anschauen, was mit ihrer Schulter passiert war.
Kate fürchtete sich davor. Sie konnte sich vorstellen, etwas Schreckliches zu erleben, denn das Brennen hatte um keinen Deut nachgelassen.
Mit zittrigen Fingern knöpfte sie das Oberteil auf. Das graue Haar war ebenfalls schweißverklebt.
Ein guter Friseur hatte ihr einen modernen Kurzhaarschnitt verpaßt, der sie eigentlich jünger gemacht hatte, doch das war jetzt vorbei. Sie sah aus wie 60 und fühlte sich wie 80.
Der letzte Knopf der Bluse sprang ab, weil Kate einfach zu nervös war und auch Angst vor der Entdeckung hatte.
Der Spiegel log nicht. Das sah sie Sekunden später, als sie die Bluse an der rechten Seite abstreifte und den Höcker auf der Schulter entdeckte.
Für einen Moment hielt sie den Atem an, weil sie über die Größe des Höckers überrascht war. Von der Haut weg beulte sich etwas in die Höhe. Das war schon mehr als ein Pickel. Eine regelrechte Beule. Sie sah dunkelrot aus, beinahe mit einem Stich ins Bräunliche, und die Frau schüttelte sich, als sie länger hinschaute. Für sie stand fest, daß sie von keinem Insektenstich erwischt worden war.
Es mußte einen anderen Grund haben.
Warum hörte sie das teuflische Lachen, das ihr in der letzten Zeit schon einmal aufgefallen war?
Durch ihren Körper liefen Kälte- und Hitzewellen. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Trotzdem besaß Kate den Mut, sich näher an den Spiegel heranzudrücken, um die Veränderung genauer zu sehen.
Der übergroße Pickel lebte!
Es war verrückt, aber der Spiegel log nicht. Im Innern des kleinen Höckers bewegte sich etwas. Da drückte und zirkulierte eine Masse, die sich zudem gegen die Haut preßte, es aber nicht schaffte, sie zu zerreißen, weil sie ihr noch einen zu großen Widerstand entgegensetzte. Kate Cameron war geschockt. Die Angst vergrößerte sich. Ein Gefühl sagte ihr, daß etwas Unheimliches mit ihr geschehen sein mußte. In ihrem Körper hatte sich etwas aufgebaut, das irgendwann ins Freie mußte. Dann würde der Höcker platzen und seinen Inhalt freigeben. Eiter, Blut und angesammeltes Wasser würden in die Höhe spritzen und…
Ihre Gedanken brachen ab. Nein, nicht mehr denken. Einfach sich nur dahingleiten lassen. Überhaupt nichts wahrnehmen. Es gab keinen Grund, kein Motiv. Alles war so schlimm und schrecklich und sie spürte die Weichheit in ihren Knien.
Dann drehte sie sich taumelnd vom Spiegel weg und ging auf die Dusche zu. Was sie selten gemacht hatte, wollte sie in der Nacht durchziehen. Sich duschen, den kalten Schweiß abspülen, wobei sie hoffte, daß auch der verdammte Höcker aufplatzte, wenn heißes Wasser auf ihn
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