1114 - Der Pestmönch
Forschheit war nichts mehr zu sehen. Die Ereignisse hatten Britta wieder zurück auf den Teppich geholt.
Sie stand und schaute sich um. Dabei drehte sie sich auf der Stelle. Was der schmale Lichtstreifen enthüllte, sah nicht eben freundlich aus.
Eine dunkle und zugleich graue Welt, in der sie sich befanden. Wie eine, die sich noch im Frühstadium befand und die sich erst noch entwickeln mußte.
Keine Pflanze. Kein Grün. Kein Wasser. Nur dieses alte Gestein, das sich tatsächlich porös zeigte und auch nicht glatt war. Der Boden war mehr ein Stolperfeld aus kleinen, kantigen Erhebungen sowie Mulden und schroffen Rinnen.
Suko reichte ihr die Hand. »Wollen Sie sich festhalten?«
»Nein, will ich nicht.«
»Auch gut.«
Britta zuckte die Achseln. »Wo sind wir hier?« fragte sie weinerlich. »Ich habe keine Ahnung.«
»Das wundert mich.«
»Wieso denn?«
»Weil Sie doch mit Lorenzo unter eine Decke stecken. Ich kann mir vorstellen, daß er sie eingeweiht hat. Jetzt erhalten Sie dafür die Quittung, Britta.«
»Nein«, sagte sie leise. »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Er hat mich nicht eingeweiht. Es ist falsch, wenn Sie das denken. Nicht in alles. Ich wußte nicht, was sich hinter dem verdammten Spiegel befindet. Ich wußte nur, daß etwas vorhanden war, aber ich hätte Ihnen nie etwas über diese Welt sagen können.«
»Was ist mit dem Mönch?«
»Denn kannte er wohl.«
»Hat er auch einen Namen?«
»Vielleicht, aber er ist mir nicht bekannt. Ich… ich… kann damit nichts anfangen. Lorenzo hat alles in die Wege geleitet. Er hat nur immer gesagt, daß die Vergangenheit nicht tot ist und daß ich mich noch darüber wundern würde, wie dicht die Zeiten zusammenhängen. Er hat von Punkten gesprochen, an denen sie sich treffen, und ich glaube, daß wir einen solchen Punkt erreicht haben.«
Suko nickte. »Das kann durchaus sein.«
»Was denken Sie denn?« flüsterte die Frau.
»Es ist einfach und doch kompliziert. Ich rechne damit, daß wir so etwas wie eine kleine Zeitreise hinter uns haben. Man zerrte uns in den Tunnel hinein, und dieser Weg war wie eine Röhre, die uns hinein in die Vergangenheit geschafft hat.«
»Das glauben Sie?«
»Warum sollte ich es nicht?«
»Das gibt es nur im…«
»Nein, ich weiß, was Sie sagen wollen. Leider gibt es dies auch in der Realität. Ebenso wie es eine Welt hinter der sichtbaren gibt. Die vergangene, Britta. Aber sie ist nicht verschwunden. Sie ist gespeichert. Sie sollten wissen, daß nichts vergeht. Es weicht nur in einen anderen Zustand aus.«
Sie blickte Suko an. Ihr Gesicht sah im scharfen Licht der Lampe bleich und künstlich aus.
Bestimmt hatte sie Fragen, doch Britta wußte nicht, wie sie die Worte in die richtige Reihenfolge bringen sollte. Sie sagte nur: »In der Vergangenheit also.«
»Ja.«
»Und wo das? Wissen Sie das auch?«
»Nein, das weiß ich nicht genau. Ich kann nur darüber spekulieren.«
»Bitte, dann tun Sie es. Ich brauche ein Stück Hoffnung, auch wenn sie nur so dünn wie ein Faden ist.«
»Schon gut. Es kann durchaus sein, daß wir uns noch ungefähr dort befinden, wo wir hergekommen sind.«
»An der Ruine?«
»Ja, es kann sein.«
»Nein, das kann ich nicht glauben.« Sie schüttelte den Kopf. »Wir waren doch länger unterwegs.«
»Tatsächlich?«
»Ich… ich… habe…«
»Nein, Britta, so können Sie beim besten Willen nicht rechnen. Das geht nicht. Wir waren zwar unterwegs, aber Sie sollten wissen, daß die Zeit eine relative Größe ist. Was Ihnen lang vorgekommen ist, kann sehr kurz gewesen sein, und umgekehrt wird auch ein Schuh daraus. Das müssen Sie schon so sehen.«
Britta schloß für einen Moment die Augen. »Und ich habe Lorenzo vertraut«, sagte sie leise. »Ich habe ihn für den Größten, Tollsten und Attraktivsten gehalten. Für mich war er immer das Vorbild. Er gab sich so sicher. Er kam mit allem zurecht. Es interessierten ihn keine Probleme. Er hat sie einfach gelöst und mich dazu gekriegt, mich auf ihn und auf sein Wissen zu verlassen.«
»Was wollte er denn?«
»Alles, Suko. Er wollte herrschen. Oder er will herrschen. Er hat Menschen gesucht und gefunden, die ihm folgten. Alle waren begeistert von ihm, und er hat es mit den älteren Leuten versucht, die ihm besser auf den Leim gingen. Wie auch ich.« Sie lachte über sich selbst und senkte den Kopf wie jemand, der sich schämt.
»Was bedeuten die beiden Köpfe? Was steckt dahinter?«
Britta schaute Suko von der Seite her an. »Ich
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