1114 - Der Pestmönch
meinem Kreuz nicht verborgen blieb. Ich spürte die leichte Erwärmung sehr deutlich.
Lorenzo hatte in den letzten Sekunden nichts mehr gesagt. Er schien geschockt zu sein. Sein Mund stand offen. Wenn er atmete, hörte es sich wie ein Schlürfen an.
Er kannte ihn, das wußte ich genau. Aber er war durch das Auftauchen des Mönchs negativ überrascht worden. Dessen Verhalten konnte ihm nicht zusagen.
Der Mönch blieb stehen. Die Distanz zwischen ihnen betrug ungefähr eine Körperlänge. Lorenzo zitterte leicht, doch er hatte seine Sprache wiedergefunden.
»Was willst du?« keuchte er.
»Dich holen…«
Wir hatten eine Stimme gehört, die nicht von dieser Welt zu stammen schien. Obwohl die Worte deutlich zu verstehen gewesen waren, hatten sie so hohl und anders geklungen, wie aus einer unter der Erde liegenden Höhle stammend. Leicht grollend und in einem Echo auslaufend.
»Das wird ein Drama!« flüsterte Glenda neben mir. »Das Böse bekämpft sich gegenseitig und frißt sich auf. Ein Wahnsinn ist das…«
»Hoffentlich.«
»Willst du nicht eingreifen?«
»Wozu? Vorerst nicht!«
Lorenzo war noch nervöser geworden, und so schaute er sich auch um. Sein Lachen klang bitter und auch irgendwie klirrend. »He, du willst mich holen?«
»Ja, das werde ich.«
»Gut, wohin denn?«
»Zu mir.«
»Wie zu dir?« fragte er abgehackt.
»Ich habe einen Platz auf dem Pestfriedhof für dich!«
Diese Worte schockten Lorenzo. Er beugte sich nach unten. Sein Gesicht war plötzlich verzerrt, und wir bekamen mit, wie er stöhnend die Luft einsaugte. Ihn schwindelte auch, er hatte große Mühe, das Gleichgewicht zu halten.
Glenda und ich hatten einen neuen Begriff gehört. Der Mönch hatte von einem Pestfriedhof gesprochen. Ich war mir sicher, daß er nicht geblufft hatte. Demnach mußte sich hier irgendwo in der Nähe ein derartiger Friedhof befinden.
Lorenzo schüttelte den Kopf. »Nein, nein, ich geh nicht mit. Von wegen. Ich will dort nicht landen. Ich weiß, was…«
»Es bleibt dir nichts anders übrig. Ich bin der Pestmönch. Ich weiß, daß ich schwere Fehler begangen habe. Ich weiß auch, daß ich mein Leiden nur durch eine bestimmte Tat beenden kann. Ich bin reuig geworden. Ich habe dir mal vertraut, aber ich weiß jetzt, daß es ein Fehler gewesen ist, dir das Tor zu meiner Welt zu öffnen. Es wird mir nicht noch einmal passieren, das schwöre ich dir. Deshalb bin ich gekommen, um mit dir abzurechnen.«
Lorenzo war in diesen langen Augenblicken völlig überfordert. Er wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er suchte nach einem Ausweg. Er blickte in die Runde, um Hilfe zu bekommen, aber da war niemand, der ihm half.
»Mein Platz ist hier!« schrie er schließlich. »Ich habe die Gebote des Teufels befolgt. Er hat mir den Weg zu dir gezeigt. Du hast dich auf meine Seite gestellt. Wenn du jetzt anders denkst und handelst, dann stellst du dich auch gegen die Mächte der Hölle, verflucht noch mal.«
»Ich habe mich entschieden.«
»Nein, nein!« brüllte Lorenzo. »Das kann ich nicht akzeptieren. Schau dich doch um, verflucht! Sieh, was wir bisher alles geleistet haben. Ich habe wunderbar gehorcht. Ich habe die Öffnung des Tores ausgenutzt, ich bin derjenige, der die neuen Welten erschließen kann. Hast du das vergessen?«
»Habe ich nicht.«
»Dann, dann…«
Der Pestmönch ließ sich auf keine Diskussion ein. Überraschend schnell ging er vor. So schnell, daß es Lorenzo nicht mehr schaffte, zurückzuweichen.
Der Mönch griff mit der rechten Hand zu. Nein, das war die Klaue, und darin steckte eine unnormale Kraft. Sie hatte das Gelenk des Mannes umklammert. Sie bog es zusammen wie unter dem Druck einer Zange, und Lorenzo kam nicht weg.
Er wollte sich aus dem Griff hervordrehen, doch der Mönch zerrte ihn zu sich heran und umfaßte zugleich mit der anderen Klaue Lorenzos Kehle.
»Was tun wir?« flüsterte Glenda. »Läßt du das zu, John? Willst du, daß Lorenzo geholt wird?«
»Hat er etwas anderes verdient?«
»Nein. Aber er ist ein Mensch.«
Da hatte Glenda schon einen wunden Punkt getroffen. Lorenzo war ein Mensch, ich war es ebenfalls, aber der Pestmönch nicht. Er war eine Gestalt aus einer anderen Dimension, soweit kannte ich mich aus.
»Hast du gehört, John?«
»Ja.«
»Wir müssen ihn holen.«
Ohne daß wir Suko gesehen oder gehört hatten, war er zu uns gekommen und neben uns getreten. Er hatte unsere kleine Diskussion wohl gehört und mischte sich ein.
»Ihr bleibt, wo ihr
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