1114 - Der Pestmönch
sind?«
»Darauf pfeife ich.«
Lorenzo konnte es noch immer nicht glauben. Der Klang seines Gelächters drückte es aus. »Was ist in dich gefahren, Partnerin? Willst du nicht mehr auf der Seite des Siegers stehen?«
»Doch.«
»Dann…«
Sie ließ ihn nicht ausreden. »Ich stehe auf der Seite des Siegers, Lorenzo. Mir sind die Augen geöffnet worden. Ich weiß wieder, was tatsächlich im Leben zählt. Du bist es nicht, darauf kannst du dich verlassen. Du nicht.«
»He, wieso nicht?«
Die Frage hatte sicherlich spöttisch klingen sollen, aber die Unsicherheit hatte jeder hören können, dem Ohren gewachsen waren. Von Lorenzos überzogener Selbstsicherheit war nicht mehr viel übriggeblieben. Jetzt sah er aus wie jemand, der nicht wußte, was er unternehmen sollte. Er war durchgeschwitzt. Zwar besaß sein Blick noch die Kälte, aber er schaute sich immer unsicherer um. Er kam mit der Situation nicht klar. Nervös fuhr er durch sein dunkles Haar. »Du weißt, was du da gesagt hast?«
»Sehr gut sogar«, antwortete Britta mit fester Stimme.
Ich mußte ihr Respekt zollen. Sie hatte sich wirklich verändert, und wahrscheinlich war diese Veränderung auf Suko zurückzuführen. Wie er das geschafft hatte, war mir ein Rätsel. Er stand auch weiterhin im Hintergrund und hatte sich nicht von der Stelle bewegt.
Nicht weit von ihm entfernt fiel mir etwas auf. Ich glaubte nicht an eine Täuschung, doch ich glaubte, die Umrisse einer zweiten Gestalt zu sehen.
Dicht an der Wand hielt sie sich auf. Im Gegensatz zu Suko wirkte sie düster. Wie ein finsterer Rächer, der darauf wartete, daß seine Zeit endlich anbrach.
Der andere tat nichts. Ich war mir sicher, daß ihn Britta und Suko aus den Tiefen des Kellers mit nach oben gebracht hatten und fragte mich, welche Rolle er spielte.
Lorenzo hob die Schultern. »Du weißt auch, was es für dich bedeutet, Britta?«
»Klar, Lorenzo. Es bedeutet für mich die Rückkehr in das normale Leben. Ich will nicht mehr an deiner Seite stehen. Ich will endlich wieder so sein wie früher und in Ruhe gelassen waren. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Sehr schön«, sagte er lachend. »Aber du erinnerst dich auch an unser Versprechen?«
»Wieso?«
»Wir sind Partner bis in den Tod, meine kleine Freundin. Da du gegen mich bist, muß ich dich als Feindin ansehen. Du wirst hier nicht lebend herauskommen.«
Ob seine Sicherheit gespielt war oder ob er wirklich so überzogen arrogant weitermachte, das war ihm nicht anzusehen. Wahrscheinlich bewegte er sich in ganz anderen Sphären. Er schwebte irgendwo über den Wolken und hatte den Boden der Realität verlassen.
»Das weiß ich.«
»Okay, Britta.«
»Aber ich habe vorgesorgt«, erklärte sie.
Für diese Antwort hatte Lorenzo nur Spott übrig. »Vorgesorgt?« höhnte er. »Vielleicht durch den komischen Chinesen?«
»Er steht jedenfalls auf meiner Seite. Aber nicht nur durch ihn. Ich habe noch jemand mitgebracht. Eine Person, über die du dich bestimmt wundern wirst.«
»Wo denn?«
Britta drehte sich langsam um. Auch Suko bewegte sich jetzt und trat dorthin, wo das Licht heller schien. Er winkte Glenda und mir beruhigend zu.
Von den Veränderten bewegte sich niemand. Wir hörten kein Schaben der Füße, und das laute keuchende Atmen hielt sich auch in Grenzen. Uns kam es vor, als hätte jemand einen großen Bann über all die Gestalten gelegt.
In die Stille hinein klangen die Trittgeräusche doppelt so laut. Die zweite Gestalt hatte sich aus ihrer dunkleren Ecke gelöst und kam langsam vor.
Sie trat in den helleren Bereich hinein, doch auch dort war sie nicht viel besser zu erkennen. Ich stellte nur fest, daß kein normaler Mensch so wie sie aussah.
Die Gestalt trug eine Kutte, die viel von ihrem Körper verbarg. Auch der Kopf war kaum zu erkennen, denn sie hatte die Kapuze hochgestreift, und nur das Gesicht zeichnete sich ab. Mehr als ein blasser Fleck war es aber auch nicht.
Niemand stoppte die Gestalt.
Der Kuttenträger kümmerte sich auch um keinen anderen. Er schaute ausschließlich Lorenzo an, der seine Sicherheit allmählich verlor und immer nervöser wurde.
Nicht weit von uns entfernt passierte der Fremde die Theke. Glenda und ich sahen jetzt seine Hände, die keine normale Form mehr besaßen. Sie waren zu Krallen geworden und hätten auch einem Echsenwesen gehören können.
Das Gesicht erschien mit rund. Es war nicht verunstaltet. Dieser Mönch gehörte trotzdem nicht in diese Welt. Er hatte etwas an sich, das auch
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