1115 - Die Tränen des Toten
Macht seiner Feinde war er informiert. Es würde nicht einfach werden, sie zu vernichten.
Wer mit Höllenblut gestärkt war, den brachte kaum etwas um.
Suko blieb an einer Säule stehen. Sie befand sich in der Mitte der Garage. Von diesem Platz aus hatte er einen guten Rundblick. Das Tor war und blieb geschlossen. Suko hoffte, daß niemand der Bewohner kam und seinen Wagen abstellen wollte.
Keine Botschaft von Shao.
Auch nicht vom Dunklen Schrecken und Agashi. Selbst John ließ sich Zeit mit seiner Rückkehr. Im Magen lag der Druck und breitete sich immer mehr aus. Seine übliche Gelassenheit war verschwunden. Er vibrierte innerlich, aber auch außen, denn ab und zu rann ein kalter Schauer über seinen Körper hinweg.
Wann kamen sie?
Es waren einige Minuten vergangen. Suko versucht sich auch an den Gedanken zu gewöhnen, daß sie vorerst überhaupt nicht zurückkehrten und ihre Zeit selbst bestimmten.
Er verrechnete sich.
In der Tiefgarage erlebte er plötzlich eine Bewegung. Es war nichts zu hören, aber dort, wo das Licht die Schatten kaum vertreiben konnte, sah er etwas in der Luft zirkulieren. Zugleich erlebte Suko, wie sich aus dem Nichts ein Nebel bildete, als Wolke in der Tiefgarage blieb und einen langen Streifen hinter sich herzog.
Sie waren es!
Suko bewegte sich nicht. Er wollte abwarten, was die andere Seite unternahm. Mit dem Rücken lehnte er an der Säule. Sie gab ihm einen Schutz vor anderen Blicken, doch das reichte ihm nicht.
Die andere Seite wollte ihn.
Sie sollte ihn auch bekommen.
Aber nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Wozu hielt er die Krone der Ninja in den Händen?
Er dachte nicht noch einmal nach, sondern hob sie an und setzte sie auf seinen Kopf.
Von einem Augenblick zum anderen war Suko verschwunden!
***
Der Nebel hatte sie entlassen. Zwei Körper, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Eine Person, die blutbeschmiert war und eine gelbe Mönchskutte trug, und eine zweite, die ihren Herrn und Meister um mehr als Haupteslänge überragte.
Der Dunkle Schrecken bewegte sich vor dem Mönch durch die Tiefgarage. Er trug keine Gesichtsmaske mehr. Seine alte Fratze bestand aus Knochen, deren Farbe sich unterschiedlich verteilte. Gelb und grau mischte sich da zusammen und machten das Skelett noch schauriger.
Wie der Körper aussah, war nicht zu sehen. Der dicke Schutz verbarg ihn. Der Panzer an der Brust, der an den Schultern und auch an den Beinen.
Beide Gestalten bewegten sich lauernd durch die Garage. Sie trauten dem Frieden nicht, und sie gingen auf den Fahrstuhl zu, dessen Tür offenstand.
Sie schauten hinein.
Sie taten nichts. Sie drehten sich wieder um, und Suko, der sie als Unsichtbarer beobachtete, bekam das Gefühl, trotzdem von ihnen gesehen zu werden.
Sie rochen. Sie witterten. Sie schauten genau in seine Richtung. Er stand neben einem dunklen Benz und schaute über das Dach hinweg auf die beiden.
Agashi hob seinen rechten Arm. Sekunden danach sah Suko, was er damit bezweckte. Er wollte ein Zeichen für den Dunklen Schrecken setzen, und der höllische Samurai hatte begriffen.
Seine Bewegungen waren mit den Augen kaum zu verfolgen. Die rechte Hand rutschte über die Schulter hinweg nach hinten. Er holte einen Pfeil aus dem Köcher. Er legte ihn auf den Bogen, der gespannt wurde, und dann schickte er den tödlichen Gruß auf die Reise.
Es war alles so schnell gegangen, daß die Bewegungen wie eine einzige aussahen.
Suko war zwar unsichtbar. Aber er war ebenso verletzbar wie jeder normale Mensch, und als der Pfeil auf ihn zuraste, da wußte er auch, daß er gewittert worden war.
Er tauchte weg.
Im letzten Augenblick. Das Geschoß pfiff dicht über das Wagendach hinweg und hätte ihn aufgespießt wie ein Stück Schaschlikfleisch. So aber hatte ihn der Pfeil verfehlt und prallte gegen eine andere Säule.
Suko hütete sich, wieder auf die Beine zu kommen. Als Unsichtbarer kroch er über den Boden hinweg. Er nahm alles wahr. Er spürte sogar den Druck der Krone, er saugte den Geruch der eingetrockneten Ölpfützen in sich hinein, und er hütete sich davor, verräterische Geräusche zu verursachen. Autos würden ihn nicht immer schützen, das stand fest. Seine Feinde waren mit einem sicheren Instinkt ausgerüstet. Wenn sie ihn finden wollten, dann würden sie ihn auch finden.
Gab es eine Waffe gegen diese Monster?
Suko dachte an seine Dämonenpeitsche. Etwas anderes fiel ihm leider nicht ein. Es gab keine magischen Tricks, mit denen er die andere
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